1352 - Die schwarzen Schiffe
verständnisvoll. Sie zogen ab, ohne zu murren, und Nerva-Than kümmerte sich gemeinsam mit dem Medoroboter um ihren Patienten. Auf eine Gelegenheit wie diese hatte sie lange warten müssen. Kaekkata konnte sich ihr nicht entziehen, er mußte zwangsläufig mit ihr kommunizieren.
In Nerva-Than erwachte die Sprachwissenschaftlerin. Im Verlauf des kalten, ausgeprägten Winters erlernte sie ohne Translator oder ähnliche Hilfsmittel die Sprache der Kekkerek. Sie trainierte wochenlang den obersten Frequenzbereich ihrer Stimmbänder, und bald brachte sie die keckernden, manchmal fast zwitschernden Laute ebenso präzise hervor wie Kaekkata.
Der kleine Ureinwohner Finisterres wurde ihr bester Freund - selbst, als er wieder laufen konnte, blieb er oft tagelang in der Nähe ihres Lagers.
Gegen Frühlingsanfang aber kehrte Kaekkatas Sippe zurück. Wie immer schienen sie direkt aus der Luft zu Boden zu fallen, doch inzwischen hatte Nerva-Than ein dickes Fell entwickelt. „Da seid ihr ja", rief sie in der Sprache der Affenartigen.
Die anderen zeigten ihre Überraschung deutlich. „Du hast viel gelernt!" riefen sie zurück. „Wie geht es unserem Kleinsten, den wir vor der Jahreszeit bei dir zurückließen?"
„Er ist wohlauf. Wartet ein paar Stunden. Er wird mit Einbruch der Dunkelheit hier auftauchen."
Natürlich spielte sich die ganze Unterhaltung etwas anders ab, aber Nerva-Than hatte keinerlei Verständigungsprobleme. Als gegen Abend tatsächlich Kaekkata auftauchte, entspann sich eine muntere Unterhaltung, der sie nicht einmal mit ihrem neu erworbenen Wissen folgen konnte. Fast eine Stunde lang schaute sie nur. Hin und wieder warfen die Affenartigen ihr einen Blick zu, und die Springerin bemerkte, daß über sie gesprochen wurde.
Dann endlich löste sich ein altes Männchen aus dem Haufen: „Willst du mit uns kommen?" fragte es. „Große Frau, wir hätten dich gern dort, wo wir wohnen."
Nerva-Than zeigte sich überrascht. Innerlich aber jubelte sie - schien sich hier doch endlich die intensive Verständigung anzubahnen, die sie gesucht hatte. „Ich begleite euch gern", antwortete sie deshalb. „Es soll uns beiden eine Ehre sein."
So begann ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Nerva-Than zog mit Kaekkatas Sippe zurück in die Nähe der Station. Den Medorobot ließ sie notgedrungen zurück, trug ihm aber auf, selbständig kranken Kekkerek behilflich zu sein. Die Streustrahlung seiner Energiequelle hätte ihre Anwesenheit allzu deutlich verraten.
Sie erforschte die Lebensgewohnheiten ihrer neuen Gefährten und begann allmählich, steuernde Impulse zu geben. Besonders ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse kamen ihr hier zugute. Die Baumhäuser der Kekkerek hatten trotz aller Stabilität manche Verbesserung nötig, so zum Beispiel auf dem Gebiet der inneren Verstrebungen und der Wärmedämmung. Auch die Standortauswahl mußte korrigiert werden - es ging nicht an, daß ihre Schützlinge die Baumhäuser weiterhin in blitzschlaggefährdete Bäume verlegten.
Nerva-Than beschloß, mit Hilfe einiger junger Männchen und Weibchen ein eigenes Baumhaus zu konstruieren. Es sollte alle Vorteile herkömmlicher Bauweise plus ihre Verbesserungsvorschläge vereinen. Als besonders fähiger Baumeister erwies sich hier Kaekkata: Er nahm bereitwillig an, was Nerva-Than ihm zu vermitteln suchte, und fügte hier und dort sogar Verbesserungen hinzu. Monate später war das Projekt fertiggestellt.
Die Springerin lernte, trotz ihrer fülligen Statur, die Urwaldbäume zu erklettern. Dabei verließ sie sich nicht auf die Reste ihrer Ausrüstung, sondern ausschließlich auf eigene Fähigkeiten. Und es gelang besser als erwartet. Das neue Baumhaus wurde ihre Wohnung, selbst während der Wintermonate. Kaekkata hielt sich ständig in Nerva-Thans Nähe auf. In der Tat war er - gemessen an den Verhältnissen Finisterres - so etwas wie ein „Genie".
Ein vorläufig letzter Wendepunkt im Leben der Springerin ergab sich nochmals Monate später. Ihrer privaten Rechnung nach schrieb man draußen in Pinwheel und in der heimatlichen Milchstraße den Februar 447 Neuer Galaktischer Zeitrechnung.
Von ihrem Baumhaus aus gewahrte sie drei fremde, grob zigarrenförmige Schiffe, die gemächlich bis auf einen Kilometer über die Station niedersanken. Dabei spien verborgene Geschütze Blitz und Feuer ...
Als alles vorüber war, erhoben sich über den Trümmern der Station dunkle Rauchwolken. Nerva-Than glaubte nicht, daß dort irgendwer überlebt
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