1353 - Die Fratze des Todes
fuhr über die Stufen der Treppe hinweg, und Fleur stellte fest, dass sie gar nicht so lang war.
Das Licht erreichte das Ende und damit auch ein Ziel, dass genau vor der letzten Stufe lauerte.
Sie sah es. Sie wusste, wer es war, doch bei diesem Anblick schnürte ihr die Furcht die Kehle zu.
Wenn das Hank Warlock war, dann war er kein Mensch mehr, sondern ein Monster…
***
Er stand, und er hockte trotzdem. Hinter ihm baute sich ein Steinaltar auf, der ihn auch deshalb überragte, weil er sich auf Händen und Füßen niedergelassen hatte und in dieser Haltung einem Gorilla glich. Als wollte er damit andeuten, dass der Mensch vom Affen abstammte.
Er war kein Affe. Er war auch kein richtiger Mensch mehr. Bei ihm kam beides zusammen. Fleur wunderte sich, dass sie es schaffte, direkt in das Gesicht hineinzuleuchten und den Strahl nicht verriss.
Was sie da zu sehen bekam, hatte sie nie zuvor in ihrem Leben erlebt.
Das war ein Gesicht und trotzdem keines. Sie kannte Warlock schließlich. Er war nie ein Schönling gewesen mit seinem Geiergesicht, den hungrigen Augen, den wenigen Haaren, den schmalen Lippen und dem recht spitzen Kinn.
Aber jetzt?
Fleur schüttelte sich, als sie in das glatte Etwas hineinschaute, dass einfach nur widerlich war und aussah, als wäre es mit Öl bestrichen worden.
Augen, die leuchteten und sich verhängt hatten. Der Mund, der aus zwei breiten Lippen bestand, die trotzdem aussahen wie Striche.
Und genau die beiden schoben sich auseinander, sodass Platz war für eine schmale Zunge, die tänzelnd und zuckend zwischen ihnen erschien und nicht wieder zurückgezogen wurde, weil sie ein Ziel fand.
Warlock hielt es in der Hand. Er sah auf sein verdammtes Messer mit der langen Klinge, über die er hinwegleckte und dabei eine Spur aus Speichel hinterließ.
Er verdrehte dabei seine Augen, um seinen Genuss auch anders zu dokumentieren.
In Fleur stieg nicht nur der Ekel hoch. Sie merkte auch, dass ihre Angst wuchs. Diese Drohung hatte sie verstanden, und es blieb nicht nur bei ihr.
Warlocks glatter, nackter Körper zuckte einige Male wie der eines Tieres.
Dann erhob er sich!
Fleur wunderte sich darüber, dass sie es schaffte, den Weg mit dem Strahl der Lampe zu verfolgen. Sie rechnete damit, dass Warlock aufstehen würde.
Das passierte nur zur Hälfte. Als er eine bestimmte Position erreicht hatte, war für ihn alles perfekt.
Mit schleichenden Schritten und das Messer stoßbereit haltend, kam er die Stufen der Treppe hoch…
***
In diesem Augenblick hatte Fleur das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Bei ihr erstarrte alles, und der Gedanke an einen schnellen grausamen Tod kam ihr in den Sinn.
Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie noch immer neben Suko hockte. Ihre linke Hand lag sogar auf seinem Körper, dessen Lage sich nicht verändert hatte. So musste Fleur weiter davon ausgehen, dass er außer Gefecht gesetzt worden war.
Das Grauen schlich näher heran. Nie hatte der Tod für Fleur ein Gesicht gehabt, in diesem Moment änderte sich das. Jetzt wusste sie, wie die Fratze des Todes aussah.
Warlock trug sie.
Er war das Grauen. Er würde den Menschen das Leben nehmen und sie in die Hölle hineinziehen.
Fleur wusste nicht, wie viel Zeit ihr blieb, aber in diesen Sekunden durfte sie nicht starr bleiben. Der regungslose Mann vor ihr war ein Polizist. Sie dachte daran, dass Polizisten Waffen trugen, und das musste doch auch bei ihm der Fall sein.
Mit einer Hand versuchte sie weiterhin die Lampe so zu halten, dass Warlock im Lichtschein blieb. Mit der anderen, der Rechten, suchte sie fieberhaft nach einer Pistole.
Suko trug sie auch bei sich. Er lag jedoch durch Zufall auf der Seite, sodass es Fleur nicht möglich war, an seine Waffe heranzukommen, ohne ihn dabei von der Stelle zu wälzen.
Trotzdem versuchte sie es. Es war zu schwer. Außerdem näherte sich der Killer.
Sie hörte ihn bereits. Er atmete nicht. Sein Luftholen hörte sich anders an. Es war schon mit einem Saugen zu vergleichen, und es entstanden auch Schlürfgeräusche.
Es hatte keinen Sinn, das wusste Fleur. Sie kam nicht mehr an die Waffe heran. Der verfluchte Mutant war ihr einfach zu nahe gekommen. Schon erkannte sie die Gier in seinen Augen. Sie sah, wie er den rechten Arm anhob. Die Klinge des Messers funkelte bereits nah vor ihren Augen.
»Nein«, flüsterte sie, »nein, bitte nicht…«
Er lachte roh. Dann stieß er zu!
***
Fleur Aubry war wie erstarrt. Ihr Körper schien doppelt so schwer geworden zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher