1354 - Höllenflucht
unternehmen.
Die Helfer mit den starren Gesichtern blieben zurück. Ich hatte noch einen kurzen Blick auf ihre seltsamen Hände werfen können, die nichts anderes als Krallen waren, und jetzt wusste ich auch, dass Evelyn Recht gehabt hatte, als sie davon berichtet hatte, wie ihr Freund ums Leben gekommen war.
Zum Gewässer hin senkte sich der Boden leicht. Eine Filmkulisse hätte nicht perfekter sein können. In der glatten Landschaft, aus der nur die Ruinen hervorragten, wirkte der kleine See mit seinen Bäumen an dieser Uferseite wie ein implantierter Fremdkörper aus einer anderen, schöneren Welt. Darüber gab es noch einen seltsamen Himmel, der nicht völlig dunkel geworden war und ein Muster aus grauen und weißlich-grauen Flecken zeigte.
Als der Boden weich wurde und ich bis zu den Rändern meiner Schuhe einsank, blieben wir stehen. Einige Äste reichten bis über die Wasserfläche hinweg. Manche sogar recht tief.
Neben mir kicherte van Akkeren. Er brauchte nichts mehr zu sagen, sondern streckte nur die Hand aus.
In meinem Magen klumpte etwas zusammen, als ich sah, was man mit meinem Freund gemacht hatte…
***
Evelyn Ferrer hatte den Verstand nicht verloren. Trotzdem hätte es für einen Fremden so ausgesehen, denn sie irrte ziellos durch die Dunkelheit des kalten und zugigen Raums. Sie war nicht mehr dazu in der Lage, normal zu denken. Sie schlug immer wieder die Hände vors Gesicht, als wollte sie ihre Umgebung nicht mehr sehen.
Einmal gab sie nicht Acht, wohin sie trat und prallte schmerzhaft gegen eine raue Wand. Sie riss sich dabei die Haut an den Händen auf, und der folgende Schmerz brachte sie wieder zurück in die Gegenwart.
Die Arme sanken nach unten. Schwer wie aus Metall kamen sie ihr vor. Evelyn Ferrer wusste jetzt, dass sie sich der Realität stellen musste. Es gab keinen anderen Weg mehr. Ihr Geliebter war tot.
Man hatte ihn auf eine furchtbare Art und Weise umgebracht. Jetzt lag er in der Nische, und sie hatte sich nicht getraut, noch mal nachzusehen.
Die Angst war wie ein starkes Fieber und ließ sie zittern. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Eine ungewöhnliche Kälte schüttelt ihren Körper durch, und sie spürte gleichzeitig ein starkes Brennen in den Augen, als hätten sie sich mit heißen Tränen gefüllt.
Erst jetzt fiel ihr der Name des Mannes wieder ein, der sie getröstet hatte. Er hieß John Sinclair, und sie hatte sehr schnell zu ihm Vertrauen gefasst. Dann war er gegangen, und sie überlegte jetzt wirklich, ob sie das Versteck verlassen und zurück bis zum Dorf fahren sollte.
Noch traute sich Evelyn nicht, aus dem zugigen Raum zu verschwinden. Wenn sie in den Armen ihres Geliebten gelegen hatte, war alles anders gewesen. Da hatte sie die Kälte nicht so empfunden. Jetzt aber, so allein in dieser schrecklich einsamen Umgebung, war es etwas anderes. Da kam sie sich vor wie eine Gefangene.
Ihr Atem hatte sich wieder beruhigt. Die normale Stille der Nacht umgab sie, und diese Ruhe wurde plötzlich unterbrochen. Sie hörte die Stimmen zweier Männer. Mal waren sie lauter, dann klangen sie leiser. Beide unterhielten sich.
Evelyn Ferrer wurde neugierig. Sie bewegte sich mit vorsichtigen Schritten auf das Eingangsloch zu. Allerdings traute sie sich nicht, die Ruine zu verlassen, sie wollte nur einen Blick nach draußen werfen und schauen, was dort ablief.
Eine Stimme kannte sie. Da hatte John Sinclair gesprochen, und auch die zweite Stimme war ihr nicht völlig unbekannt. Es lag noch nicht lange zurück, seit sie sie gehört hatte, doch Evelyn hatte sie in böser Erinnerung.
Am Eingang blieb sie stehen. Hier erwischte sie der Wind heftiger, und sie fror trotz der dicken Kleidung. Es war auch eine Kälte, die mehr von ihnen kam.
Die Männer sprachen noch immer. Sie konnte manche Sätze verstehen und wunderte sich darüber, dass es um einen Schatz ging.
Sie selbst konnte sich darunter nichts vorstellen.
Es gab eine nicht eben freundliche Diskussion zwischen den beiden Personen. Evelyn bezweifelte, dass sie zu einem gemeinsamen Ende finden würden, aber letztendlich konnte man nie wissen, was da noch folgte. So hörte sie weiterhin zu und hoffte, dass die Männer nicht die Ruine betraten.
Sie stand leicht geduckt da und hatte ihre Hände zusammengelegt zwischen die Knie geklemmt.
Es ging hin und her, bis die beiden plötzlich zu einer Einigung gekommen waren.
Noch ein paar letzte Worte, dann gingen sie auseinander. Das dachte Evelyn zumindest, doch es traf nicht zu,
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