1354 - Höllenflucht
Messer aufklappen und hätte am liebsten gejubelt als das passierte.
Den linken Arm streckte sie in die Höhe und drückte dessen Hand gegen den Ast, um ihn vielleicht noch weiter nach unten biegen zu können. Das war nicht möglich, denn er hatte seine Belastungsgrenze bereits erreicht.
»Ich kann nicht dafür garantieren, dass ich nicht in deine Hände schneide«, sagte sie und bemühte sich, der Stimme einen normalen Klang zu geben. Der Gefesselte sollte nicht merken, dass auch sie übernervös war.
»Keine Sorge, ich halte einiges aus.«
Keine Fragen mehr. Keine Reden. Sie fing an. Es war ein normales Taschenmesser, mit dem sie die Fesseln anging. Sie säbelte an den Stricken. Sie keuchte dabei, und in ihrem Hals spürte sie das Kratzen. Sie unterdrückte ein Husten und säbelte weiter an den Stricken, bei denen sich sehr schnell ein erster Erfolg einstellte, als einige Fäden rissen.
Auch hier war es dunkel. Zudem rutschte das Messer manchmal ab, doch sie hatte noch nicht die Haut getroffen. Es quoll kein Blut.
Die Hände des Mannes zitterten. Er keuchte, er zuckte zusammen.
Godwin ärgerte sich auch darüber, dass er so hilflos war. Er konnte so gut wie nichts tun. Nur hin und wieder zerrte er an den verdammten Ast, als wollte er ihn doch noch abbrechen.
Evelyn gab nicht auf. Sie schnitt weiter. Rinde fetzte vom Ast ab und vermischte sich mit den Fasern. Und dann sah sie, dass die Fesseln schon recht dünn geworden waren. Aber sie sah auch das Blut, das aus einer dünnen Schnittwunde quoll und sich ausbreitete.
Es benetzte sogar ihre Hände. Sie hatte den Schnitt in die Hand nicht gesehen, und Godwin hatte auch keinen Laut von sich gegeben.
Es klappte.
Die letzten Reste der Fesseln fielen zu Boden. Und damit sackte auch Godwin de Salier zusammen. Es ging alles so schnell. Sein Arme fielen nach unten, der Oberkörper sackte zusammen, und Evelyn war nicht fähig, ihn zu halten.
Der Templer klatschte in das Wasser. Er ging sofort unter. Es war unmöglich, dass ihn die unterkühlten Beine hielten. Der Frau kam es wie ein böser Traum vor, als er plötzlich im Wasser verschwand und auch in den nächsten Sekunden nicht wieder auftauchte. Dann fiel ihr ein, wie schwach er letztendlich war und dass sie ihm helfen musste.
Sie tauchte ihre Hände in das Wasser, um ihn hochzuziehen.
Klatschnass erschien der Mann aus dem Wasser. Es rann von den Haaren her über sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf, schnappte nach Luft, und er hörte die Frage seiner Retterin.
»Kannst du gehen?«
Der Templer schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.« Er kniete jetzt, und das Wasser schwappte ihm bis zum Hals.
Evelyn dachte nicht lange nach. Sie wunderte sich darüber, wie stark sie plötzlich war. Was für sie sonst zu einem Hindernis geworden wäre, dass nahm sie nun in Angriff.
»Aber kriechen kannst du?«
»Ich denke schon.«
»Dann komm.«
Sie half ihm dabei. Ihre Arme glitten unter seine Achselhöhlen und klemmten sich dort fest. Mit dem Gesicht zu Godwin de Salier stellte sie sich hin. Sie ging rückwärts, ließ die Hände an ihrem Platz und versuchte, den Mann ans Ufer zu ziehen.
Godwin half ihr so gut es ihm möglich war. Er versuchte, seinen Körper durch die Bewegungen der angewinkelten Beine ebenfalls nach vorn zu schieben und freute sich darüber, dass ihm dies auch gelang.
»Wir schaffen es!«, machte er sich selbst und auch seiner Retterin Mut. »Du brauchst keine Angst zu haben. Die verdammten Hundesöhne kriegen uns nicht.«
»Hoffentlich!«, keuchte sie.
Es gab keine Wellen, die sie zurückhalten konnten. Sie arbeiteten sich in das flache Gewässer vor, und dort gab es keinen Widerstand mehr. Wäre es Godwin möglich gewesen, er wäre schon längst wieder aufgestanden, aber er war noch zu schwach.
So kroch er durch das feuchte Gras am Ufer, und eine Helferin hielt die Hände umfasst. Sie zog ihn weiter, denn sie wollte bis zu den Bäumen, um dort einigermaßen Schutz zu finden.
Es passte. Sie schafften es. Godwin wurde losgelassen und versucht nun, aus eigener Kraft auf die Füße zu kommen, was ihm nicht ganz gelang. Er brauchte die Unterstützung der Frau und auch die eines Baumstamms, an dem er sich abstemmen konnte.
Dann aber stand er!
Zum ersten Mal erschien auf seinem Gesicht ein Lächeln, als er die Frau vor sich anschaute. Die Aktion hatte sie angestrengt. Er sah, dass sie nach Luft rang, aber auch das Lächeln auf ihren Lippen war nicht zu übersehen.
»Es geht«,
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