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ohne Dornen – die Blume der Jungfrau Maria und ein stolzer Ausweis seiner eigenen Lauterkeit. Die Männer, die er besiegte, hielten ihn für verrückt, die Frauen, die ihm zusahen, glaubten, er würde sich vergeuden, doch Roland de Verrec hatte sein Leben dem Rittertum, der Heiligkeit und der Tugend gewidmet. Er war berühmt für seine Jungfräulichkeit, und er wurde dafür auch verspottet, doch nie in seiner Hörweite oder der Reichweite seines flinken Schwerts. Er wurde auch für seine Unverdorbenheit bewundert, sogar darum beneidet, denn es hieß, er sei von einer Erscheinung der Jungfrau Maria selbst zu einem Leben in Reinheit bestimmt worden. Sie war ihm erschienen, als er erst vierzehn Jahre zählte, hatte ihn berührt und ihm gesagt, er sei gesegnet vor allen Männern, wenn er keusch bliebe, ebenso wie sie keusch geblieben war. «Du wirst heiraten», hatte sie ihm erklärt, «aber bis dahin gehörst du mir.» Und er gehörte ihr.
Männer mochten über Roland spotten, aber die Frauen seufzten sehnsuchtsvoll. Eine hatte sich so weit vergessen, dass sie ihm sagte, er sei schön. Sie hatte die Hand ausgestreckt und seine Wange berührt. «All diese Kämpfe und keine einzige Narbe!», hatte sie gesagt, und er war vor ihr zurückgezuckt, als hätten ihn ihre Finger verbrannt, und hatte dann erklärt, alle Schönheit sei nur ein Abglanz der Gnade Gottes. «Wenn ich etwas anderes glauben würde», hatte er ihr gesagt, «könnte mich die Eitelkeit in Versuchung führen.» Aber vielleicht litt er wirklich unter dieser Versuchung, denn er kleidete sich mit übermäßiger Sorgfalt, und seine Rüstung war immer blank gescheuert: gescheuert mit Sand, Essig und Draht, bis sie die Sonne mit blendender Helligkeit zurückwarf. Allerdings nicht an diesem Tag, denn die Wolken hingen niedrig, grau und düster über Breteuil.
«Es wird regnen», knurrte der Lord of Douglas, «und dieser verdammte Turm wird sich nirgendwohin bewegen.»
«Er wird uns den Sieg bringen», sagte Roland de Verrec mit ruhiger Zuversicht. «Der Bischof von Châlons hat ihn gestern Abend gesegnet; der Turm wird uns nicht im Stich lassen.»
«Er sollte überhaupt nicht hier sein», grollte Douglas. Die schottischen Ritter waren von König Jean gerufen worden, um den Angriff auf Breteuil zu unterstützen, doch die Verteidiger waren keine Engländer sondern ebenfalls Franzosen. «Ich bin nicht hierhergekommen, um Franzosen zu töten», sagte Douglas, «ich bin gekommen, um Engländer zu töten.»
«Diese Männer sind aus Navarra», sagte Roland de Verrec, «es sind Gegner Frankreichs, und unser König will sie besiegen.»
«Breteuil ist ein gottverdammter kleiner Misthaufen!», protestierte der Lord of Douglas. «Zum Teufel, welche Bedeutung hat es? In Breteuil ist kein einziger verfluchter Engländer!»
Roland lächelte. «Wer immer in Breteuil ist, Messire», sagte er leise, «ich erfülle das Gebot meines Königs.»
Statt gegen die Engländer in Calais, in der Gascogne und der Bretagne vorzugehen, hatte der König von Frankreich beschlossen, an der Grenze zur Normandie das Königreich Navarra zu bekämpfen. Die Ursache für die Auseinandersetzung war unklar und der Feldzug eine Verschwendung der spärlichen Mittel, denn Navarra konnte Frankreich nicht gefährlich werden, und doch hatte König Jean beschlossen zu kämpfen. Es ging offensichtlich um einen Familienstreit, einen, den der Lord of Douglas nicht nachvollziehen konnte. «Sollen sie doch hier verrotten», sagte er, «während wir gegen England marschieren. Wir sollten den jungen Edward jagen, stattdessen pissen wir im Grenzland der Normandie auf den Funken eines lächerlichen Aufstandes.»
«Der König will Breteuil», sagte Roland.
«Er will sich den Engländern nicht stellen», sagte der Lord of Douglas, und er wusste, dass er recht hatte. Seit die schottischen Ritter nach Frankreich gekommen waren, hatte der König immer nur gezögert. Jean hatte an einem Tag beschlossen, nach Süden zu ziehen, am nächsten war es der Westen, und am dritten Tag blieb er doch genau dort, wo er war. Nun endlich griff er Navarra an. Navarra! Aber die Engländer waren aus ihren Festungen in der Gascogne ausgerückt und verwüsteten erneut das Binnenland. Eine weitere Armee sammelte sich an der englischen Südküste, zweifellos um in der Normandie oder der Bretagne zu landen, und König Jean war in Breteuil! Der Lord of Douglas hätte bei diesem Gedanken anfangen können zu weinen. Geht nach Süden, hatte
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