Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
Verteidiger zwingen, sich hinter die Brustwehr zu kauern, während der hohe Turm weiterrollte. Die Bolzen zischten auf die Mauern zu, schlugen klappernd an den Stein und ließen die großen Banner zucken, die von den Zinnen herabhingen; Bolzen um Bolzen flog, dann duckten sich die Schützen hinter ihre Pavesen und drehten an den dicken Handwinden, um die Sehnen zu spannen. Die Verteidiger schossen zurück, und bald trafen die ersten Bolzen den Turm.
    Robbie hörte sie. Er sah die Zugbrücke unter den auftreffenden Bolzen erbeben, aber die Brücke, die wie eine Wand vor der obersten Plattform hochgeklappt war, bestand aus dicken, mit Leder bespannten Eichenplanken, und kein Bolzen der Männer aus Navarra durchdrang das Leder und das Holz. Sie trafen nur mit stetigem Getöse auf das Hindernis, und unter Robbie bewegte sich der Turm wankend und knarrend und holpernd vorwärts. Robbie konnte am rechten Ende der Zugbrücke durch eine Lücke spähen, und er sah, dass die Burg noch zweihundert Schritt entfernt war. Große Banner hingen an der Festungsmauer, viele davon waren von Armbrustbolzen durchbohrt worden. Die Trommeln dröhnten, Trompetenklänge hallten über das Feld, und der Turm rollte einige wenige Schritt weiter, neigte sich, wenn es eine Bodensenke gab, und ein paar Armbrustbolzen von den Wällen trafen die keuchenden Bauern. Noch mehr Bauern wurden herangetrieben, um die Verwundeten oder Toten zu ersetzen, und Waffenknechte brüllten sie an, schlugen mit der Peitsche nach ihnen, und der große Turm schwankte weiter, schneller inzwischen, so schnell, dass Robbie sein Schwert zog und zu einem der schweren, gedrehten Taue hinaufsah, mit denen die Zugbrücke gehalten wurde. An jeder Seite verlief ein solches Hanftau, und wenn der Turm nahe genug an der Festungsmauer war, sollten sie durchgehackt werden, um die schwere Brücke auf die Festungsmauer krachen zu lassen. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, dachte er, und küsste das Heft seines Schwertes, in dem die Reliquie von Sankt Andreas versteckt war.
    «Euer Onkel», sagte Roland de Verrec, «ist wütend auf Euch.» Der Franzose wirkte vollkommen ruhig, während der Turm vorwärtsschaukelte und die Bolzen der Verteidiger in der Zugbrücke stecken blieben.
    «Er ist immer wütend», sagte Robbie, der sich unbehaglich fühlte in der Gesellschaft Roland de Verrecs. Der junge Franzose war zu beherrscht, zu selbstsicher, und Robbie, der sich in keiner einzigen Sache sicher war, fühlte sich ihm weit unterlegen.
    «Ich habe ihm erklärt, dass Ihr Euren Eid nicht brechen könnt», sagte Roland. «Er wurde Euch doch nicht aufgezwungen, oder?»
    «Nein.»
    «Was habt Ihr empfunden, als Ihr ihn abgelegt habt?», fragte der Franzose.
    Robbie dachte nach. «Dankbarkeit», sagte er nach einer Weile.
    «Dankbarkeit?»
    «Ein Freund hat mich während der Pest gepflegt. Ich hätte sterben müssen, aber ich bin nicht gestorben. Er hat mir das Leben gerettet.»
    «Gott hat Euch das Leben gerettet», stellte Roland richtig, «und das hat er zu einem bestimmten Zweck getan. Ich beneide Euch. Ihr seid auserwählt worden.»
    «Auserwählt?», fragte Robbie und klammerte sich an die Strebe, als der Turm einen Ruck machte.
    «Ihr hattet die Pest, und doch habt Ihr überlebt. Gott braucht Euch aus einem bestimmten Grund. Ich erweise Euch meine Ehre.» Roland de Verrec hob sein Schwert zum Gruß. «Ich beneide Euch», sagte er noch einmal.
    «Mich beneiden?», fragte Robbie überrascht.
    «Ich bin auf der Suche nach einer Berufung», sagte Roland.
    Und dann blieb der Turm stehen.
    Er blieb mit einem solchen Ruck stehen, dass die Männer darin zur Seite geschleudert wurden. Ein Rad war in ein Loch gefahren, und kein noch so angestrengtes Schieben konnte das Rad befreien, stattdessen ließ das Schieben den Turm nur weiter nach links kippen. «Halt», rief ein Mann. «Halt!»
    Die Verteidiger jubelten. Armbrustbolzen jagten durch den schwachen Regen und trafen die Bauern, die den Turm geschoben hatten. Blut färbte die Erde, und Männer schrien, als sich die dicken Geschosse in ihr Fleisch bohrten und ihnen die Knochen zerschmetterten.
    Geoffrey de Charny rannte nach vorn. Er trug ein Kettenhemd und einen Helm, aber keinen Schild. «Die Hebel», rief er, «die Hebel!» Er hatte gehofft, dass so etwas nicht geschehen würde, aber die Franzosen waren darauf vorbereitet, und mit kräftigen Eichenstangen ausgerüstete Männer eilten zu der festgefahrenen Seite des Turms, wo sie

Weitere Kostenlose Bücher