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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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auch die Fuhrwerke gehören, und der Wein ist ein Teil der Bezahlung für die Fuhrmänner. Sie sollen aufbrechen, wenn die Stadttore geöffnet werden, aber zumeist bleiben sie noch beim Wein sitzen, was ein echtes Wunder ist.»
    «Ein Wunder?»
    «Dieser Wein ist grauenhaft. Schmeckt wie Kuhpisse.»
    «Woher willst du das wissen?»
    «Das ist eine Frage, die Doktor Lucius’ würdig gewesen wäre. Seid Ihr sicher, dass Ihr das tun wollt?»
    «Wie zum Teufel soll ich sonst aus der Stadt kommen?»
    «Der Kniff dabei ist», sagte Keane, «zwischen die Fässer zu kriechen. Ihr schiebt Euch auf dem Bauch bis zur Mitte der Ladefläche, und kein Mensch bekommt mit, dass Ihr dort seid. Ich lasse Euch dann wissen, wann Ihr sicher wieder herauskommen könnt.»
    «Du versteckst dich nicht mit mir?»
    «Ich werde nicht gesucht!», sagte der Ire. «Ihr seid derjenige, den sie hängen wollen.»
    «Hängen?»
    «Bei Gott, Ihr seid Engländer! Thomas of Hookton! Anführer der Hellequin! Selbstverständlich wollen sie Euch hängen! Da würden mehr Leute kommen als am Hurensonntag!»
    «Was ist der Hurensonntag?»
    «Der Sonntag nach dem Fest von Sankt Nikolaus. An dem Tag sollen es die Huren kostenlos machen, aber das habe ich noch nie erlebt. Ihr habt nicht viel Zeit.» Er blieb stehen, als im ersten Stockwerk eines Hauses an dem kleinen Platz ein Fensterladen geöffnet wurde. Ein Mann blickte aus dem Fenster, gähnte und verschwand wieder. In der ganzen Stadt begannen die Hähne zu krähen. In einer Ecke regte sich ein Haufen Lumpen, und Thomas erkannte, dass dort ein Bettler geschlafen hatte. «Ganz und gar nicht viel Zeit», fuhr Keane fort. «Die Tore sind offen, also werden die Karren bald abfahren.»
    «Lieber Gott», sagte Thomas.
    «Ihr werdet ärger stinken als Judas Ischariot, wenn Ihr das hinter Euch habt. Ihr solltet jetzt auf den Wagen springen, es beobachtet uns niemand.»
    Thomas rannte über den kleinen Platz und schob sich auf das hinterste Fuhrwerk. Der Gestank hätte einen Bären umgehauen. Die Fässer waren alt, sie leckten, besser gesagt, sie trieften, und auf der Ladefläche stand die braune Brühe einen Zoll hoch. Er hörte Keane leise lachen, dann atmete er tief ein und zwängte sich zwischen zwei der großen Fässer. Zwischen den Reihen war genügend Platz, damit sich ein Mann unter den in der Mitte gewölbten Fässern verbergen konnte. Etwas tropfte auf seinen Kopf. Fliegen krabbelten über sein Gesicht und seinen Hals. Er versuchte, flach zu atmen, als er sich in die Mitte der Ladefläche weiterschob, wo er sich die Kapuze seines Umhangs über den Kopf zog. Das Kettenhemd mit dem Lederfutter schützte ihn etwas vor dem schleimigen Unrat, aber er spürte trotzdem, wie die Nässe zwischen die Kettenglieder drang und sein Hemd und seine Haut feucht wurden.
    Er musste nicht lange warten. Er hörte Stimmen, fühlte, wie das Fuhrwerk schaukelte, als zwei Männer aufstiegen und sich auf die vordersten Fässer hockten, dann folgte ein Peitschenknall. Jeder Ruck schlug Thomas’ Kopf gegen die triefende Seite eines Fasses. Die Fahrt schien endlos, doch wenigstens hatte Keane recht gehabt, was die Torwachen anging, offenkundig winkten sie die drei Fuhrwerke einfach durch, denn der Karren hielt auf dem Weg von den schattigen Straßen der Stadt in die sonnenbeschienene Landschaft vor dem Tor nicht an. Keane ging neben dem Ochsengespann und unterhielt sich angeregt mit den Fuhrmännern, und dann schwankte der Karren gewaltig, als er einen Abhang hinuntergefahren wurde. Zähe Flüssigkeit schwappte in den Fässern, und ein wenig davon ergoss sich über Thomas’ Rücken. Er fluchte leise, und dann fluchte er noch einmal, als der Wagen über ein paar Furchen holperte. Keane erzählte eine lange Geschichte von einem Hund, der aus dem Kloster Saint Stephane eine Hammelkeule gestohlen hatte, dann sagte er unvermittelt auf Englisch: «Kriecht jetzt heraus!» Der Ire fuhr mit seiner Erzählung fort, während sich Thomas rückwärts durch die Jauche schob und jedes Ruckeln des Karrens den Schmutz tiefer in seine Kleidung eindringen ließ.
    Er warf sich von dem Fuhrwerk und landete auf der Grasnarbe zwischen den Karrenfurchen. Der Karren, dessen Fuhrmänner nicht bemerkt hatten, dass sie einen Fahrgast mitnahmen, rumpelte weiter. Keane lief grinsend zu Thomas zurück. «Bei Gott, Ihr seht furchtbar aus.»
    «Vielen Dank auch.»
    «Ich habe Euch aus der Stadt gebracht, oder etwa nicht?»
    «Du bist ein wahrer Heiliger», sagte

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