1356
Die Männer begannen aufzusitzen, doch Jacques hielt das Kind vorsichtshalber weiter fest. «Zerbrecht die Pfeile», befahl er einem Mann.
«Wieso?»
«Damit sie nicht noch mal verwendet werden können, du Schwachkopf.»
Die Männer zerbrachen alle Pfeile, die sie fanden, dann führte Jacques sie nordwärts. Roland war schweigsam. Er dachte an die heranzischenden Pfeile. Durch Gottes Gnade war er nicht getroffen worden, aber der Schrecken, den sie verbreitetet hatten, saß ihm noch in den Knochen, zumal es nur eine Handvoll Bogenschützen gewesen waren. Was würde eine Tausendschaft solcher Männer anrichten? «Wie haben sie uns gefunden?», fragte er.
«Sie sind Bogenschützen», sagte Genevieve. «Sie finden jeden.»
«Ruhe, Weib!», rief Jacques. Er hatte Hugh vor seinem Sattel sitzen und immer noch das Messer in der Hand.
«Seid höflich!», sagte Roland wütender, als er es beabsichtigt hatte.
Jacques murmelte etwas und spornte sein Pferd an, um von Roland wegzukommen. Roland warf einen Blick hinter sich auf die Straße und sah, dass die Bogenschützen inzwischen aufgesessen waren und ihnen folgten, wenn auch in recht großer Entfernung. Er fragte sich, wie weit ein englischer Kriegsbogen schießen konnte, dann vergaß er die Frage, denn sie kamen über eine kleine Anhöhe, und da war Labrouillade. Die Burg lag inmitten eines weiten, sanften Tals, der Burggraben wurde von einem mäandernden Strom mit Wasser versorgt, der durch friedliches Weideland floss. In der Nähe der Burg standen keine Bäume und bis auf eine Viertelmeile im Umkreis auch kein Gebäude, sodass kein Belagerer Deckung für Bogenschützen oder eine Belagerungsmaschine finden konnte. Die Steine der Ringmauer wirkten in der blendenden Sonne nahezu weiß. Im Burggraben glitzerte das Wasser, das grün-weiße Banner des Comtes hing schlaff am obersten Turm. Jacques gab seinem Pferd die Sporen, die übrigen Reiter folgten ihm, und Roland sah, wie die große Zugbrücke heruntergelassen wurde. Laut hallten die Hufe auf den Brückenbohlen, dann tauchte er plötzlich in die Düsternis des Eingangsbogens ein, und dort, im Innenhof der Burg wartend, stand ein hochgewachsener Geistlicher mit grünen Augen, auf dessen Handgelenk ein Falke saß.
Die riesige Winde des Torhauses knarrte, als zwei Männer die schwere Zugbrücke hochkurbelten. Die Sperre der Winde klapperte über die Metallzähne, dann schlugen die Bohlen mit einem Knall an den Torbogen, und zwei Männer rannten los, um die schwere, nun aufrecht stehende Brücke mit Bolzen zu verkeilen.
Acht
T homas traf beim letzten Tageslicht ein. Seine Pferde waren müde geritten und kamen mit erschöpftem Gang aus einem Wald mit Kastanien und Eichen, wo ein Bogenschütze, der die Reiter wohl nur als dunkle Umrisse gegen den glutroten Sonnenuntergang sah, brüllte: «Wer seid ihr?»
«Es ist nicht gut, auf Englisch zu rufen, Simon», rief Thomas zurück.
«Verflucht noch mal», Simon senkte seinen Bogen. «Wir dachten, Ihr wärt tot.»
«So fühle ich mich auch», sagte Thomas. Er war mit seinen Gefährten den ganzen Tag schnell geritten, hatte auf der Suche nach den Männern, die von Castillon d’Arbizon aufgebrochen waren, einen Bogen um die Burg des Comtes de Labrouillade gemacht, ohne zu wissen, wo er seine Männer suchen sollte, bis er sie schließlich auf diesem bewaldeten Hügel entdeckte, der einen Blick auf den einzigen Eingang der Burg erlaubte. Thomas glitt aus dem Sattel, seine Hoffnung war auf einen Tiefpunkt gesunken, genau wie die Sonne, die lange Schatten über das weite Tal warf, in dem Labrouillades Festung stand.
«Wir haben versucht, ihn aufzuhalten», erklärte Sam.
«Das habt ihr gut gemacht», sagte Thomas, als er die ganze Geschichte gehört hatte. Sam und seine Bogenschützen waren nur Minuten vor Roland und seiner Eskorte bei dem Fluss eingetroffen und hatten einen wirksamen Hinterhalt gelegt.
«Wir hätten sie bis zum letzten Mann erledigt, wenn Hugh nicht gewesen wäre», fuhr Sam fort. «So ein Bastard hat ihm ein Messer an den Hals gesetzt. Aber ein paar haben wir trotzdem erwischt.»
«Und Genevieve ist jetzt in der Burg?»
Sam nickte. «Sie und Hugh.»
Thomas blickte vom Waldrand aus zu der Burg. Unmöglich, dachte er. Die Sonne färbte die Ringmauer rot, ließ den Burggraben scharlachfarben aufschimmern und blitzte grell im Helm eines Spähers.
«Ich habe Euren Bogen mitgebracht», sagte Sam.
«Du hast mich erwartet?», fragte Thomas. «Oder wolltest du
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