1357 - Nach dem Holocaust
ihr in diesem Augenblick irgendwie möglich war. „Und ich bin auch nicht verrückt. Aber ihr müßt es sein, wenn ihr glaubt, daß ihr euch jetzt alles erlauben könnt. Hier gibt es Kranke, Verwundete. Geht und helft ihnen, und ich verzichte darauf, euch anzuzeigen."
Keiner der Kartanin rührte sich. Selbst der, der Ta-Dom zur Ruhe gemahnt hatte, sah nun verächtlich drein. „Tut, was ich euch sage!" befahl Sue-El wütend. „Warum?" fragte Ta-Dom. „Wenn ihr so verrückt wart, mit diesem Zeug herumzuspielen, das ihr Paratau nennt, dann sollt ihr gefälligst auch die Folgen tragen. Uns geht das nichts an."
Sue-El war wie erstarrt. „Wenn ich jetzt Paratau hätte ...", murmelte sie schließlich. „Nun, was würdest du dann tun?" fragte Ta-Dom belustigt. „Ich würde dich lehren, mir zu gehorchen", versicherte Sue-El gepreßt. „Und glaube mir - es ist ein Glück für dich, daß ich es im Augenblick nicht kann. Aber ich werde dich wiederfinden, und es wird dir nichts helfen, daß du mir nicht deinen vollen Namen verraten willst. Sobald ich in der Stadt bin und eine Träne N'jalas erhalte, werde ich dich finden, ganz egal, wo du dich auch verstecken magst."
„Sieh mal an", sagte Ta-Dom belustigt. „Ich werde mich aber nicht verstecken. Was sagst du dazu?"
„Dann bist du nicht nur verrückt, sondern außerdem auch noch dumm", stellte Sue-El verächtlich fest, aber dabei wurden ihr die Knie weich, denn sie begriff immer deutlicher, daß sie in Gefahr war. Diese Kartanin hatten jede Achtung und jede Disziplin verloren. Sie mußte aufpassen, daß sie sich keine Blöße gab, oder sie war verloren. „Ich bin weder das eine noch das andere", sagte Ta-Dom, und plötzlich klang er gelangweilt. „Du wirst mich nicht finden, weil ich nicht auf diesem albernen Planeten lebe. Und du wirst keine von diesen komischen Tränen erhalten, um mich mit Hilfe dieser Droge zu suchen. Es gibt nämlich keinen Paratau mehr. Keinen einzigen Tropfen. Das Zeug ist explodiert. Ihr Lao-Sinh seid durch die Explosion verrückt geworden. Es ist aus mit euch."
Sue-El starrte ihn fassungslos an. „Das ist eine Lüge!" flüsterte sie nach langer Zeit. „Eine dreckige Lüge, die ihr erfunden habt!"
„Nein, es ist die Wahrheit", sagte Ta-Dom erbarmungslos. „Sieh dir doch deine Begleiterinnen an! Du weißt doch, in welchem Zustand sie sich befinden - das kann dir doch unmöglich entgangen sein! Ihr seid verrückt, alle miteinander. Wahrscheinlich seid ihr es schon lange, denn sonst wärt ihr niemals auf die Idee gekommen ..."
Sue-El hörte ihn nicht mehr. Vor ihren Augen tanzten Funken, und in ihrem Herzen brannte ein Feuer, das sie inwendig zu versengen drohte. „Es ist nicht wahr!" schrie sie, und dann sprang sie Ta-Dom an.
Sie hörte Schreie, und wahrscheinlich schrie sie auch selbst - sie wußte es später nicht mehr genau. Sie schlug, biß und kratzte, schmeckte Blut in ihrem Mund und spürte lebendes Fleisch zwischen ihren Zähnen, und sie war von Sinnen vor Wut und Verzweiflung. Eine Raserei hatte sie erfaßt, die all ihre Gefühle und all ihr Denken so total ausfüllte, daß für nichts anderes mehr Raum blieb.
Und dann drang der Schmerz durch die Nebel der Wut.
Schläge trafen sie - auf dem Rücken, den Oberarmen, am Kopf, überall. Jeder Schlag schickte flüssiges Feuer in ihre Nerven, und sie schrie. Sie mußte die Kiefer öffnen, um nicht am Blut ihres Gegners zu ersticken, und als der Blutgeschmack aus ihrem Mund verschwand, wich auch der Wahnsinn der Raserei von ihr.
Sie begriff nicht recht, was eigentlich geschehen war. Sie sah männliche Kartanin, die auf sie einschlugen, und sie sah einen weiteren Kartanin, der auf dem Boden lag und aus vielen Wunden blutete.
Peitschen schnellten auf sie zu, und blaues Licht zuckte um sie herum. Wie von weit her vernahm sie Stimmen. „Hört endlich auf, ihr schlagt sie ja tot!"
„Das soll sie büßen ..."
„... verrückt wie die anderen ..."
„Helft Ta-Dom!"
Aber das alles ergab keinen Sinn, denn sie erinnerte sich an nichts mehr.
Dann schrie eine dumpfe Stimme: „Er ist tot! Diese Hexe hat ihn umgebracht!"
Die Gesichter um sie herum wurden noch wütender, verloren alles, was sie als vernünftig denkende Kartanin kennzeichnete, wurden tierhaft in ihrer Wut, und Sue-El-K'yon begriff in einem klaren Moment, daß es ihr jetzt ans Leben gehen sollte.
Sie wandte sich um und floh.
Ihre Gegner waren größer und stärker als Sue-El, und unter normalen Umständen hätte sie
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