1358 - Der Vampirpakt
Schreibtisch stehen. Den hellbraunen Stoffmantel hatte sie noch nicht angezogen. Er lag nach wie vor über ihrem Arm. Sie selbst hielt den Blick gesenkt und schaute zu Boden.
»He, was hast du?«
Glenda antwortete nicht.
Ich ging zu ihr und tippte sie an. »Sag was, Mädchen! Was ist los mit dir? Du siehst so seltsam aus.«
Erst jetzt reagierte sie und holte zunächst tief Luft. Dann war sie bereit, zu sprechen. »Es ist schon komisch, John, aber irgendwas hat mich erwischt.«
»Wieso?«
»Tja«, flüsterte sie, »wenn ich das wüsste. Das war… ja, das war irgendwie so fremd und anders.« Sie zog die Stirn kraus und dachte wieder nach, weil es ihr anscheinend schwer fiel, sich an bestimmte Dinge zu erinnern.
Ich wollte sie auch nicht drängen und beobachtete sie weiter. »Ja«, sagte sie schließlich, »da ist etwas gewesen. Auf einmal. Völlig ohne Übergang. Es war wie ein Schlag, der mich getroffen hat. Ich hatte auf einmal das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Ich… ich … war überzeugt, dass jemand bei mir war.«
»Aber du hast nichts gesehen? Keinen Geist und auch kein Gespenst – oder?«
»Klar, das stimmt. Trotzdem war ich nicht allein. Das oder der andere war nicht sichtbar, aber es steckte in meinem Kopf, verstehst du? Da war das verdammt Fremde. Es hat sich darin regelrecht festgehakt und schaffte es, mich zu übernehmen.«
»Was war es? Kannst du das sagen?«
Glenda holte tief Luft. »Nein, nicht genau. Wenn ich aber recht nachdenke, dann ist es eine Stimme gewesen. Eine neutrale Stimme. Das heißt, ich weiß nicht, ob sie einer Frau oder einem Mann gehört hat. Aber sie war da, und ich muss leider zugeben, dass sie auch eine gewisse Macht besaß.«
»Inwiefern?«
Glenda ging jetzt einige kleine Schritte nach vorn, drehte sich um und schaute mich an.
» Ihr werdet von mir hören. Ja, John, das genau hat diese Stimme zu mir gesagt. Ihr werdet von mir hören.«
»Und hat sie noch etwas hinzugefügt?«
»Nein… oder?« Glenda musste wieder nachdenken und legte ihre Fingerspitzen gegen die Stirn. »Ja, das hat sie. Ich habe nichts vergessen. Das war es.«
Auch ich atmete tief durch. Dabei blickten wir uns beide an. »Ein Rätsel, John. Ich stehe vor einem Rätsel, aber was ich dir gesagt habe, war keine Einbildung. Das habe ich genau so erlebt.«
»Das glaube ich dir sogar. Da hat jemand auf telepathischem Weg Kontakt zu dir aufgenommen.«
»Ha, so weit bin ich auch schon gekommen. Aber wer ist es gewesen? Darauf kommt es doch an.«
»Vielleicht sollten wir uns um seine letzten Worte kümmern. Ich habe nichts vergessen.«
»Genau. Und wer hat nichts vergessen?«
Ich hob die Schultern, eine Geste, die meine ganze Ratlosigkeit andeutete.
Die Antwort klang hinter meinem Rücken auf, und sie wurde von Suko gegeben. »Es könnte jemand sein, der mit dem Schwarzen Tod und dessen Vasallen in Verbindung steht.«
Ich drehte mich um. »Du hast gute Ohren, Alter.«
»Nicht nur das.«
»Aber Suko kann Recht haben!«, rief Glenda. »Danach sollten wir wirklich forschen.«
Der Meinung war ich auch. Doch ich fragte mich, warum diese unbekannte und auch sehr mächtige Person sich gerade Glenda Perkins ausgesucht hatte?
Es konnte sein, dass meine Gegenkraft zu groß war und der Unbekannte nicht so leicht an mich herankam.
»Was machen wir jetzt, John?«, fragte Glenda.
»Das liegt an dir.«
Sie lächelte mich an. »Du wirst es kaum glauben, aber mein Hunger besteht noch immer.«
»Dann lass uns gehen.«
»Und ich halte auch weiterhin die Stellung«, meldete sich Suko.
»Kann ja sein, dass auch ich Kontakt bekomme, und das wäre gar nicht mal so schlecht, wenn ich ehrlich sein soll.«
Ich half Glenda in den Mantel. Dabei sagte ich: »Dann gib mir bitte sofort Bescheid.«
»Werde ich machen.«
Wenig später standen wir uns im Lift gegenüber. Glenda wirkte noch immer ein wenig blass um die Nase. Das war ganz natürlich.
Auch ich hätte über gewisse Dinge nachgedacht, wenn mir das passiert wäre.
»Beunruhigend ist es schon«, gab sie zu, als wir den Lift verließen und durch die Halle gingen.
»Klar.«
Glenda hakte sich bei mehr ein. »Ich wünsche mir direkt, dass ich nochmals einen Kontakt bekomme. Dann bist du bei mir, John, und du weißt, was du dann zu tun hast.«
»Erst mal abwarten.«
Draußen empfing uns ein heller Himmel und auch ein recht scharfer Wind, der noch winterlich klar gegen unsere Gesichter blies. Die Witterung sah wirklich nicht nach einem plötzlichen
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