1358 - Der Vampirpakt
Frühlingserwachen aus. Da konnte sich der Winter noch länger hinziehen.
Der Weg zu »unserem« Italiener war nur kurz. Luigi machte gute Geschäfte, denn in der Mittagszeit wurde sein Laden meist von Yardleuten frequentiert, und ich hoffte stark, dass wir noch freie Plätze bekamen.
Wir hatten Glück. Es war noch nicht so spät. Auch das Stimmengewirr hielt sich um diese Zeit noch in Grenzen. Wir konnten einen freien Tisch ergattern. Um ihn herum standen drei Stühle, sodass einer sogar frei blieb.
Diesmal half ich Glenda aus dem Mantel und fand noch einen freien Garderobehaken.
Wir nahmen Platz. Glenda saß mir gegenüber. Wenn sie an mir vorbeischaute, blickte sie zur Tür, aber zunächst nahm sie die Speisekarte und wollte sie aufschlagen.
Dazu kam es nicht mehr, denn Luigi, der Besitzer, stand plötzlich neben uns. Seine Augen strahlten. Er konnte sein Temperament kaum zügeln. Er sprach davon, dass er uns lange nicht mehr gesehen und schon befürchtet hatte, dass wir ihm untreu geworden waren.
Es gab die Speisekarte, aber es gab auch Gerichte, die er als Chef empfahl.
Glenda winkte ab. »Nein, nein, ich esse sowieso nur einen kleinen Salat.«
»Aja, das ist gut. Da möchte ich Sie auf unseren frischen Hummersalat hinweisen.« Er spitzte die Lippen. »Delikat, kann ich Ihnen nur sagen. Einfach delikat.«
»Dann nehme ich den.«
»Und Sie, Signore Sinclair?«
»Haben Sie vorhin nicht etwas von Mini-Pizzen gesagt?«
»Ja, das habe ich. Dazu servieren wir etwas Salat und einen geräucherten Wildlachs.«
»Genau das nehme ich.«
»Wunderbar. Sie werden zufrieden sein. Und als Getränk nehmen Sie bestimmt Mineralwasser.«
»Erfasst, Luigi.«
Er ging. Glenda konnte wieder lächeln. »Es ist immer das Gleiche«, sagte sie. »Da hat man eigentlich keinen großen Hunger, wenn man zu Luigi kommt. Dann aber kommt er, redet über seine Speisen, und sofort läuft einem das Wasser im Mund zusammen.«
»Stimmt.«
Glenda lächelte. Sie hatte sich wieder gefangen und freute sich auf das Essen. Eine Bedienung brachte uns das Wasser und schenkte aus der Karaffe zwei Gläser gut voll.
Ich hob als Erster mein Glas an, um Glenda zuzuprosten. Auch sie hatte das ihre angehoben, aber sie stockte mitten in der Bewegung, und ihre Augen weiteten sich.
»Was ist passiert?«
Ich bekam auf diese Standardfrage leider keine Standardantwort.
Glenda konnte nicht reden. Sie saß wie festgeleimt auf ihrem Stuhl und starrte an mir vorbei.
Ich wollte sie noch mal fragen, bevor ich mich umdrehte, holte Luft, aber ich kann nicht dazu.
»Er… er ist es …«, hauchte sie. »Wer denn, Glenda?«
»Saladin, der Hypnotiseur!«
***
Er schaukelte!
Nein, nicht nur er, sondern die gesamte Welt um ihn herum. David Watkin begriff nichts mehr. Er wusste nur, dass sein ruhiges Leben einen Schlag erhalten hatte, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Und dieser Schlag schien sich zu einem Echo erweitert zu haben, denn durch seinen Kopf dröhnten noch immer die Gongschläge. Wenn der Klöppel irgendwo anschlug, hörte er nicht nur das Dröhnen, sondern spürte auch die Schmerzen, die diese Echos verursachten.
Er bemühte sich nach Kräften herauszufinden, was nach dem Niederschlag überhaupt mit ihm passiert war.
Zunächst war er nicht in der Lage dazu, seine Gedanken zu ordnen, doch er stellte fest, dass er mit seinen Füßen nicht den Boden berührte und trotzdem weiterkam.
Das ließ nur einen Schluss zu. Es gab jemand, der ihn trug, und zwar nicht auf Händen, sondern über einer Schulter. Jede Gehbewegung bekam er mit, und er spürte die Stiche in einem immer wiederkehrenden Rhythmus.
Er wusste, dass er etwas tun musste, und fing damit an, indem er die Augen öffnete.
Sein Blick fiel nach unten. Auf einen dunklen Boden, der nicht glatt unter ihm verlief, sondern schwankte wie welliges Wasser.
Beim Hinschauen schloss er die Augen, damit ihm nicht übel wurde.
Der andere schleppte ihn weiter. Und je mehr er in der nahen Vergangenheit forschte, umso stärker drang die Erinnerung in ihm hoch. Er wusste jetzt, was mit ihm passiert war. Er sah alles deutlich vor sich, besonders die Gestalt mit dem blutigen D auf der Stirn.
Und er erinnerte sich auch an die beiden spitzen Zähne, die aus dem Oberkiefer hervorgeschaut hatten.
Ein Vampir! Ein echter Vampir!
Watkin wunderte sich selbst darüber, dass ihn dieser Gedanke nicht mehr schreckte. Er hatte sich schon damit abgefunden und auch damit, dass er sich in der Gewalt eines
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