1359 - Das Versprechen des Schwarzen Tods
niemand kann gegen sein Schicksal ankämpfen, auch ich nicht.
Ich zog mich vom Fenster zurück, ohne es zu schließen. Bei unserer Ankunft hatten wir einen scharfen böigen Wind erlebt, der jetzt nicht mehr vorhanden war. Er fegte nicht durch die beiden offenen Fenster. Es war auf dieser Insel so gut wie still geworden.
Auch ein Phänomen, das darauf hinwies, dass wir uns nicht mehr am gleichen Ort befanden wie bei unserer Ankunft.
Mochte Justine auch noch so – fast schon – kameradschaftlich gesprochen haben, letztendlich ging es auch bei ihr darum, ihre Interessen durchzusetzen. Wenn die nicht stimmten, würde sie auf nichts Rücksicht nehmen.
Suko, der nur zugehört hatte, kam auf uns zu. »Es ist viel geredet worden, aber wann wird gehandelt?«
»Das bestimmen wir nicht!«, erklärte Justine.
»Wer dann?«
»Die andere Seite.«
»Du wartest also auf den Schwarzen Tod?«
»Ja. Er muss etwas tun. Wir befinden uns in seiner Nähe. Auch in seiner Welt, und das kann er nicht so ohne weiteres hinnehmen, wobei es mir letztendlich egal ist, ob ich mich in der Vampirwelt aufhalte oder im Reich der verlorenen Engel, mit denen ich sowieso nichts zu tun habe. Ich will Dracula II nur dabei helfen, die Vampirwelt wieder zurückzubekommen.«
»Dazu müsstest du den Schwarzen Tod vernichten«, gab Suko zu bedenken. »Sollte dir das gelingen, werde ich mich vor dir verbeugen.«
»Danke, aber dein Blut wäre mir lieber.«
»Das behalte ich für mich.«
Saladin bewegte sich. Wir hörten nicht nur ein schabendes Geräusch, sondern vernahmen auch sein tiefes Stöhnen. Danach seine Flüsterstimme, die sich anhörte, als würde er mehrere Flüche auf einmal aussprechen. Er setzte sich hin und rieb mit einer Hand über seinen Nacken. Dort musste ihn Justines Schlag getroffen haben.
Noch immer sitzend sah er uns auf sich zukommen. Natürlich auch Justine Cavallo. Große Fragen musste er nicht erstellen, aber ein Blick auf ihre Gestalt sagte ihm, was passiert war.
»Du!«, keuchte er sie an.
»Ja, wer sonst.«
Er stand auf, und er ließ die blonde Bestie dabei nicht aus den Augen. Man konnte seinen Blick als hinterlistig und tückisch bezeichnen, und ich ahnte, dass es eine Auseinandersetzung zwischen ihm und Justine geben würde.
Wieder strich er über seinen Nacken, nachdem die Handflächen zuvor über seinen Kopf geglitten waren.
Ich konzentrierte mich auf seine Augen, was auch Suko bemerkte, denn er kannte mich.
»Sei vorsichtig, John. Ich will nicht von einem tödlichen Blick sprechen, aber wenn er dich einmal gepackt hat, kann er mit dir anstellen, was er will. Das kenne ich aus eigener Erfahrung.«
»Klar doch.«
Der Hypnotiseur schaute die blonde Bestie von oben bis unten an, bevor er sie ansprach. »Du bist Justine Cavallo, nicht wahr?«
»He, du kennst mich.«
»Und ob«, flüsterte er, »und ob. Schließlich hat mir jemand einiges von dir erzählt. Und auch davon, dass du ihn nach dem fehlgeschlagenen Anschlag damals im Stich gelassen hast und er die Gebeine der Maria Magdalena nicht mehr finden konnte. Man hat ihn sogar wie einen Verbrecher abgeschleppt.«
»Stimmt alles, Saladin. Aber jetzt muss er mir gehorchen. Du wirst kaum glauben, wie groß die Gier nach dem Blut der Menschen geworden ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass er auch dich leer saugen wird, wenn er dich sieht.«
»Er wird mein Blut nicht trinken. Aber ich werde ihn finden. Ich werde mir seine neue Stärke zunutze machen, das kann ich dir versprechen.«
Justine schüttelte lässig den Kopf. »Die alten Zeiten sind vorbei, Saladin.«
»Nein, nicht für mich!«
Er hatte die Niederlage gut überwunden, und er war dabei, seine hypnotische Kraft einzusetzen. Suko und ich waren für ihn überhaupt nicht existent. Jetzt konzentrierte er sich einzig und allein auf die blonde Bestie.
Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. Wir erlebten das aus unserem seitlichen Blickwinkel. Er wollte ihr den Willen aufzwingen, und das konnte innerhalb von wenigen Sekunden passieren.
Aber Justine Cavallo war kein Mensch. Sie besaß keine Seele und auch keine Gefühle. Sie reagierte allein nur ihren Interessen entsprechend. Und deshalb konnte sie auch stehen bleiben und ihm dabei kalt ins Gesicht lächeln.
Saladin schüttelte plötzlich den Kopf. Er riss sich aus seinem eigenen Zustand wieder hervor. Erstaunen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Wahrscheinlich begriff er noch immer nicht, dass es auch für ihn gewisse Grenzen gab.
Justine
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