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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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war das Herz so schwer. Wie traurig würde Dad sein, wenn er kam, um sie zu retten, und da lag sie und war tot! Aber vielleicht kam er ja auch gar nicht. Vielleicht hatte Boogan nicht gelogen und Dad hatte sie vergessen. Das konnte sein, denn er war doch ein Held, und eigentlich kam ein Held immer dann, wenn man ihn wirklich ganz doll brauchte. Ann sah mal hoch, zur Probe. Aber Dad war nicht da.
    Und Duu’da ließ sie auch im Stich! Ann schob die Unterlippe vor. Seinetwegen saß sie jetzt in diesem grässlichen Gefängnis. Wenn Duu’da ihr nicht Leid getan hätte, weil er nicht wusste, was Spielen ist, dann wäre das alles nicht passiert. Sie hatte das Bild doch nur für ihn gemalt. Damit er was lernte, das Spaß machte. Und er kam nicht, um ihr zu helfen.
    Niemand kam.
    Selbst Jana würde ihr nicht helfen, denn Jana traute sich nie was. Sie hatte zu viel Angst, sogar vor ihrer Mutter.
    Anns Arme wurden müde, und sie ließ sie herunter sinken.
    Unschlüssig zupfte sie an ihren Stiefeln herum.
    Mamm Kalina würde nicht erlauben, dass man Jana einsperrt und sie tötet!, dachte Ann und nickte. Jennymom würde so was auch nicht erlauben! Aber sie konnte natürlich nicht herkommen, denn sie war eine Königin und musste Beelinn regieren und auf Canada aufpassen, solange Ann nicht da war.
    Ann versuchte sich an Jennymoms Gesicht zu erinnern.
    Doch das ging seit einiger Zeit nicht mehr. Ihr Gesicht war irgendwie weg, selbst im Traum, genau wie der Klang ihrer Stimme. Nur die Sehnsucht war noch da, denn Dad war zwar ein Held, aber Mom war furchtbar wichtig.
    Mom – das war warme, weiche Haut und sanfte Hände.
    Schmatzküsschen auf die Nase und ins Haar. Kuscheln, wenn es draußen kalt war und Trösteworte in der Nacht, wenn sich Gespenster unterm Bett versteckten, um Ann in die Zehen zu kneifen.
    »Mom!«, flüsterte die Vierjährige, und ihr Kinn begann zu zittern. »Mom!«
    Aber Mom war nicht da, und sie kam auch nicht. Egal, wie groß die Verzweiflung, und egal, wie bitter die Tränen – im dunklen Verlies der Löcherburg fand Ann keinen Trost. Nur Angst und Einsamkeit und Kälte.
    Nach einer Weile musste Ann aber doch den Kopf heben.
    Wenigstens ein bisschen, denn es war jemand durch die Gitterstäbe gebrummt und mit hörbarem Pock! an ihren Stiefel geknallt. Nun krabbelte er im Bogen daran vorbei. Alle paar Momente blieb er stehen und rieb sich mit den Vorderfüßen über die Fühler. Sie fingen dann an zu leuchten, und es war, als hätte er seine eigene Laterne mitgebracht.
    Anns Besucher war ein Poikäfer; eine Skarabäenart, die mit dem alles verwirbelnden Sturmwind des Kometeneinschlages nach Rumänien gelangt war. Poikäfer lebten in der Dunkelheit und ernährten sich ausschließlich von Fledermauskot. Sie waren inzwischen vom Aussterben bedroht, weil der ursprüngliche Waffenstillstand mit den Fledermäusen nicht mehr verlässlich war, seit diese sich zu Bateras entwickelt hatten.
    Der Poikäfer hatte es eilig, nach Hause zu kommen. Doch das Stroh war im Weg, das Ann zusammen geschoben hatte. Es war nicht da gewesen, als er gestartet war, und es verwirrte ihn sehr. Aufgeregt krabbelte er gegen die Halme an, brummte und rieb an seinen Laternchen. Eine Kugel klebte ihm am Kopf, und sie warf einen Schatten über die stahlblau und grün glänzenden Flügeldecken. Es sah lustig aus, aber Ann mochte nicht lachen.
    Schweigend rückte sie ein Stück und schob das Stroh beiseite.
    Das Haus des Käfers lag versteckt an der Wand, eingeklemmt unter den Gitterstäben der Zelle.
    Was ist das? Ann staunte: So etwas hatte sie noch nie gesehen! Es war eine Art Rohr – mal dick, mal dünn, doppelt so lang wie Anns Hand und hart wie Stein, aber ganz durchsichtig. Hinten war es zu, und dort kringelte es sich in der Länge wie Wellen. Dann kam ein rotes Band mit geheimnisvollen weißen Zeichen darauf. Acht, zählte Ann, und ein Strich in der Mitte. Nach vorne hin wurde das Rohr ziemlich eng. Der Käfer schaffte es gerade eben, sich hinein zu zwängen. Dabei fiel ihm die Kugel vom Kopf, und er musste extra noch mal raus, um sie zu holen. Ann entschied, dass das ein schönes Haus war und auch bestimmt sehr kostbar.
    Dem Käfer war es egal. Brummend ließ er sich in seiner alten Glasflasche nieder. Dann machte er sich über die Nahrung her, und seine Fühler brachten das rotweiße Logo eines längst vergessenen Getränkeherstellers noch einmal zum Leuchten.
    Draußen aber, vor dem Mauerloch, wurde es dämmerig: Die Sonne versank!

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