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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Aruula.
    Sie kauerte ein paar Schritte abseits, hatte ihre Hand über die Augen gelegt und lauschte.
    »Und?«, fragte der Commander leise.
    Aruula sah auf. »Dieser Ort ist unheimlich, Maddrax! Ich habe das Gefühl, da ruft etwas, aber es ist… wie soll ich sagen? Es lebt nicht.«
    »Und Ann?« Die Frage war nur ein Hauch.
    Aruula schüttelte stumm den Kopf.
    Matt sank das Herz in ungeahnte Tiefen. Die Verzweiflung, mit der er zur Schäßburg aufsah, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Jenny sah es und reagierte prompt.
    »Es ist Annie, nicht wahr?« Ihr Blick flog zwischen den Gefährten hin und her. »Was ist mit ihr? Was ist mit meinem Kind?«
    »Sie ist nicht hier«, sagte Aruula und erhob sich aus der Deckung. »Niemand ist hier.«
    »Nein!« Jenny wurde kreidebleich. Sie taumelte zurück und warf sich herum. »Nein, das kann nicht sein! Annie! Annie!«
    Die junge Frau rannte los, dicht gefolgt von Matt und Aruula. Wieder und wieder rief sie verzweifelt Anns Namen – vor dem Eingang, zwischen den Ruinen und in jedem zerfallenen Raum, der sich erreichen ließ. Jenny Jensen weinte dabei unaufhörlich. Es war ein so bitterliches Weinen, wie Matt es noch nie gehört hatte.
    Aber Aruula hatte es schon einmal gehört.
    Damals, am Kratersee.
    Entschlossen packte die Barbarin zu und hielt Jenny fest.
    »Wir finden dein Kind!«, sagte sie. »Ich verspreche es.«
    ***
    Aruulas Atem flog. Sie war die Treppen des einzig erhaltenen Turmes hoch gerannt, als wären Dämonen hinter ihr her.
    Jennys Tränen hatten ihr verdeutlicht, wie egal es war, zu welcher Mutter ein verlorenes Kind gehörte. Was zählte war nur, dass sie es zurückbekam.
    Aruula war nicht blindlings losgelaufen. Sie folgte einem Instinkt, der beim Lauschen angeschlagen hatte, als sie dieses unheimliche Rufen ohne Leben spürte. Wo immer das hergekommen war – es konnte nicht wirklich ein Gespenst gewesen sein! Aruulas telepathische Fähigkeiten reichten weit, aber nicht bis in die Totenwelt, und das wusste die Barbarin auch.
    Vielleicht war es ein Echo!, überlegte sie, während sie die letzten Stufen nahm. Ein verirrter Gedanke aus der Ferne, den ich zufällig aufgefangen habe.
    Der Turm endete unter einem hohen Spitzdach. Das Gebälk auf der Innenseite war dicht mit schwarzen Bateras behängt.
    Sie bewegten sich unruhig, als Aruula den Raum durchschritt.
    Ringsum klafften Fensterhöhlen. Der Wind pfiff hindurch und verfing sich im Haar der Barbarin. Sie strich es zurück und schaute übers Land.
    Karpatenwälder, so weit das Auge reichte. Hügel überall.
    Der Fluss, den Maddrax als sicheres Indiz betrachtet hatte. Wie ein Silberband schlängelte er gut sichtbar dahin, bis zum Horizont. Dass er auch einen Seitenarm hatte, konnte man nur von hier oben erkennen. Er war schmal und floss durch die Wälder, in weitem Bogen an der Schäßburg vorbei. Richtung Osten verschwand er aus Aruulas Blickfeld. Dafür sah sie plötzlich etwas anderes: Drei Fremde! Sie waren an einem fernen Waldrand unterwegs, parallel zu dem eben entdeckten Nebenfluss. Zwei von ihnen schleppten schwere Pelzbündel.
    Jetzt weiß ich, warum man die Lupas nicht mehr hört – sie sind tot!, dachte Aruula.
    Der dritte Mann ging wie ein Wächter neben den Jägern her.
    Er hatte eine Armbrust geschultert, und sein kahler Schädel glänzte rosig. Aruula stutzte. Hatte sie da gerade einen Vierten gesehen? Unwillkürlich beugte sie sich vor. Tatsächlich! Den Männern folgte noch jemand! Er war erheblich kleiner, und er zerrte mit viel Mühe einen toten Wolf hinter sich her.
    Das ist noch ein Junge! Aruula prägte sich sein Bild ein, schloss die Augen und sank in die Hocke. Alles andere war ausgeblendet, nichts interessierte mehr. Nur dieser Junge – und seine Gedanken. Die Barbarin begann zu lauschen.
    Bilder tauchten in rascher Abfolge auf – Jagdszenen, ein Schloss, ein Turm, eine Tür. Aruula erspürte großen Zorn. Der Junge musste hart arbeiten, und das beschäftigte ihn so sehr, dass einer seiner Gedanken fast hörbar wurde: ›Und das alles für das blöde Ding im Südturm!‹.
    Die Barbarin sprang auf. Ihr Herz schlug schneller, als sie noch einmal ans Fenster trat und nach dem Nebenfluss suchte.
    Aruulas Augen folgten ihm von einem Mauerloch zum nächsten, bis zur Rückseite des alten Dracula-Gemäuers.
    Und da stand es – keine zehn Meilen entfernt, von der sinkenden Sonne umspielt.
    Ein Schloss auf einem Hügel an einem Fluss.
    Aruula nickte, wandte sich ab und rannte

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