136 - Zigeunerspuk
die Sippe in sich zu stabilisieren. Aber das war es nicht, was die anderen wollten. Sie wollten ihre Macht ausweiten. Rene war nicht ausgestoßen worden, wie es in anderen Fällen üblich war, wenn es einen Machtwechsel innerhalb einer Dämonensippe gab. Immerhin hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Aber sein Einfluß war geschwunden. Wahrscheinlich hatte al Akbar ihn deshalb als Partner gewählt, weil niemand sofort auf Rene tippen würde. Und Rene selbst hatte eingewilligt, weil er hoffte, seine Stellung wieder zu festigen, wenn er Dorian Hunter tötete.
Aber dieses Ziel schien jetzt weiter entfernt als zuvor.
„Ich muß dich warnen, al Akbar", sagte d'Arcy kalt. „Mein Einfluß reicht immer noch aus, dich aus Frankreich hinauszufegen, wenn du meinst, du könntest hier auftrumpfen."
Fayaz al Akbar lachte lautlos. Er fühlte sich d'Arcy grenzenlos überlegen. Er selbst war einst der engste Vertraute des Fürsten der Finsternis gewesen. Nach dem Tod Asmodis war das zwar anders geworden, aber viele sahen immer noch den Berater des Fürsten in ihm.
„Ich halte es für äußerst sinnlos, uns zu streiten", sagte d'Arcy. „Oder hast du deinen Plan inzwischen aufgegeben, weil du allein nichts zustande bringst?"
Der Wesir fauchte verhalten.
„Ich gebe dir noch eine Chance, dich zu bewähren", sagte er. „Wir werden gemeinsam in die Bretagne reisen. Dorian Hunter und Coco Zamis sind nicht mehr getrennt. Sie haben wieder zueinander gefunden."
D'Arcy lachte spöttisch.
„Nichts dergleichen werde ich tun", sagte er. „Ich bleibe hier und sehe zu, wie du ein gutes Beispiel für mich gibst. Wenn du alles besser kannst - dann handle, anstatt das Maul aufzureißen. Der Pakt mit dir hat mir nichts gebracht - außer dieser Narbe, und daß der Dämonenkiller auf mich aufmerksam geworden ist. Also nur Nachteile. Ich erkläre ihn hiermit für aufgelöst."
„Du bist verrückt", bellte der Wesir.
„Ich war verrückt, als ich den Pakt einging. Nunmehr ist er aufgelöst. Geh deiner Wege. Du bist in meinem Haus nicht mehr willkommen, und in wenigen Tagen wirst du auch in Frankreich nicht mehr willkommen sein. Dies ist d'Arcy-Land. Verschwinde."
„Du drohst mir Feindschaft an?"
„Ich erkläre dich zur unerwünschten Person."
„Das kann nur der Sippenchef."
„Ich bin sein Bruder und seine rechte Hand, al Akbar. Was ich beschließe, heißt mein Bruder gut. Muß ich dich hinauswerfen?"
„Das wirst du bereuen", knurrte der schwarze Wesir.
Und verließ mit seinen Sklaven Orleans.
„Ja", murmelte d'Arcy. „Ich war ein Narr. Hoffentlich konnte ich noch rechtzeitig abspringen…"
Er hatte keine Lust, in dem Strudel vernichtet zu werden, der den Wesir verschlingen würde. Um den Dämonenkiller zu vernichten, bedurfte er mehr als zweier Dämonen. Sicher, d'Arcy hätte sich der Unterstützung der Sippe versichern können. Aber hatte sich profilieren wollen. Jetzt war es zu spät.
„Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich für einige Zeit untertauche", murmelte er. „Sehen wir erst einmal, was der Wesir zustande bringt - oder nicht."
Zwei Stunden nach der verhörähnlichen Unterhaltung schlug Melvilles Telefon an. Er hob ab.
Und hörte zu. Einige Male nickte er, dann nahm sein Gesicht einen zufriedenen Ausdruck an. „Vielleicht sind Sie nun auch geneigter als zuvor, den Rest der Geschichte zu glauben", sagte er schließlich und legte wieder auf.
„LeBlanc?" fragte Sybill. „Was hat er gesagt?"
„Der Polizist in Dinan ist befragt worden. Er hat eine merkwürdige Aussage gemacht, die sich aber mit unserer deckt. Er sprach von einem schwarzen Gehörnten in rotem Feuer, der eine säurehaltige Nebelwolke ausatmete und damit Levoix tötete."
Sybill atmete tief durch.
„Und er sprach auch davon, daß Dorian gegen diese Teufelsgestalt kämpfte", fuhr Armand fort.
„Die Teufelsgestalt glauben sie ihm zwar nicht, aber der Rest der Geschichte klänge recht glaubwürdig, sagte LeBlanc. Trotzdem wollen sie jetzt von Dorian eine Aussage, um festzustellen, ob es weitere Übereinstimmungen gibt. Er wird nach wie vor gesucht, aber die Lage der Dinge ist schon entschieden besser geworden. Zumindest steht er nun nicht mehr direkt unter Mordverdacht."
„Das ist gut", sagte Sybill leise.
„Dorian ist kein Mörder. Sicher, er hat etwas, das ihn dämonisch wirken läßt, aber er ist kein Killer."
„Kein einfacher", schränkte Armand schmunzelnd ein. „Er ist ein Dämonenkiller."
Sybill schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher