1367 - Serum des Satans
liegen. Es ist zu kalt, es kann sich nicht entscheiden. Mal regnet es, mal scheint die Sonne. Das kann ja nichts Anständiges geben.«
»Tja, man wird auch älter.«
»Wie toll. Merkst du das?«
»Habe ich gegähnt?«
»Danke, schon verstanden.«
Suko hob die Beine an und legte die Hacken der Füße auf die Schreibtischplatte. Er machte mir einen Vorschlag. »Da du bestimmt nicht bügeln willst und auch sonst an diesem Abend nichts zu tun hast, wie wäre es, wenn Shao kocht?«
»Sehr gut.«
Suko lächelte verschmitzt. »Sie hat seit einer Woche ihre Thailand-Phase. Was sie da an Essen auf den Teller gezaubert hat, war schon vorzüglich. Heute wollte sie Saté machen. Das sind kleine Fleischstücke, aufgespießt wie ein Schaschlik, mit einer tollen Soße veredelt.«
»Hört sich gut an.«
»Das ist auch gut.«
»Dann sag ihr Bescheid, dass ich mitkomme und großen Hunger haben werde. Morgen Abend bin ich bei den Conollys, um sie auch mit den Neuigkeiten zu versorgen.«
Jetzt musste auch Suko gähnen, wobei er mein Grinsen geflissentlich übersah.
Es war schon gut, wenn wir uns nach all den Vorkommnissen einen ruhigen Abend gönnten. Dass es auch ganz anders kommen konnte, daran dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht…
***
Glenda Perkins hatte in der U-Bahn einen Sitzplatz ergattert. Sie war umgeben von zahlreichen Menschen, von denen sich die meisten auf dem Weg nach Hause befanden, froh, einen stressigen Berufsalltag hinter sich zu haben. Einige freie Stunden lagen vor ihnen, aber die Nachwirkungen der Arbeit war in den meisten Gesichtern abzulesen.
Auch Glenda sah nicht eben fröhlich aus. Wenn sie die Augen schloss, entstand ein Bild, das sie gar nicht mochte. Sie sah einen Korb voller Wäsche vor sich, der weggebügelt wurde. Sie würde die Arbeit im Wohnzimmer durchziehen und dabei auf die Glotze schauen. Das lenkte sie zumindest ab.
Es gab natürlich auch Menschen, die ihre Wäsche zum Bügeln weggaben, doch dazu fehlte Glenda das Geld. Jede Dienstleistung musste teuer bezahlt werden.
Die Strecke kannte sie in und auswendig. Es war für sie immer besser, mit der U-Bahn zu fahren, denn nach wie vor herrschte zu bestimmten Zeiten in London das große Grauen, was den Verkehr anging.
Natürlich dachte sie auch an das, was sie mit Sir James und ihren Freunden diskutiert hatte. Das würde ihr auch nicht so leicht aus dem Kopf gehen, und sie wünschte sich, dass bestimmte Dinge nicht eintraten. Dass der Schwarze Tod seine Macht nicht noch mehr ausbreitete und dann wieder auf der Erde bei den normalen Menschen zuschlug. Was er früher angestellt hatte, war schon verdammt schlimm gewesen, das brauchte wirklich keine Wiederholung.
In der U-Bahn zeigte kaum ein Fahrgast Interesse für den anderen.
Die Leute schauten ins Leere und waren mit ihren Gedanken beschäftigt, lasen Zeitung oder schmökerten in einem Buch.
Glenda las nicht. Sie dachte an ihre Bügelwäsche und war trotzdem froh, als die Bahn hielt und sie aussteigen konnte. In den Wagen roch es immer irgendwie muffig.
Im Strom der Passanten nahm sie den üblichen Weg. Inzwischen rechnete sie aus, wie lange sie wohl am Bügelbrett stehen würde.
Drei Stunden kamen da leicht zusammen. Nein, das würde kein fröhlicher Abend werden, trotz der Glotze. Nach der Arbeit würde sie froh sein, sich hinlegen zu können.
Vor dem Haus war mal wieder alles zugeparkt. Mit dem Schlüssel in der Hand ging sie auf den Eingang zu, wo ein Kind an der Hauswand lehnte und Eis schleckte.
Es war die kleine Elly, die nebenan wohnte.
Glenda blieb stehen und lächelte der Elfjährigen zu. »Na, schmeckt dir das Eis?«
»Super.«
»Kann ich mir denken.«
Sie kannte die kleine Elly schon lange. So hatte sich zwischen den beiden im Laufe der Zeit ein vertrautes Verhältnis aufbauen können.
»Da war jemand für dich da.«
Der Satz hatte Glenda überrascht. »Wie?«, fragte sie nur.
»Ja, jemand hat nach dir gefragt.«
»So? Kennst du ihn?«
»Nein.«
»Kannst du ihn denn beschreiben?«
Wieder fuhr die Zungenspitze des Mädchens über den nach Erdbeere schmeckenden roten Ballen. Elly zuckte mit den Schultern und meinte lakonisch: »Der ist schon alt gewesen.«
»Was meinst du genau damit?«
»Der hatte weißes Haar und auch viele Falten im Gesicht. Das war so ein richtiger Opa.«
»Und der wollte zu mir?«
»Ja. Er hat nach dir gefragt.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Keine Ahnung. Ich habe ihm auch nur gesagt, dass du auf der Arbeit bist. Stimmte ja,
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