137 - Der trojanische Barbar
umgehen?«, fragte Rulfan die Soldaten, die wie erstarrt um ihn herum standen.
Sinnlos.
Er wartete keine Antwort ab, sondern hetzte auf einen EWAT zu, der zumindest von außen einsatzbereit wirkte, sprang in das offene Hecktor und warf sich in den Pilotensitz.
Mit fliegenden Fingern überprüfte die Funktionstüchtigkeit.
Nun bereute er, dass er nur wenige Pflichtstunden im Simulator verbracht hatte.
Erinnere dich!, hämmerte er sich ein. Keine Panik, du schaffst das! Erst den Reaktor in den Standby-Betrieb fahren.
Okay, grünes Licht. Der Flugpanzer war einsatzbereit.
Noch 78 Sekunden.
Die Außenluke! Verdammt – selbst wenn er den EWAT starten konnte, wie sollte er hier heraus kommen? Rulfan wollte schon aufspringen, da sah er, dass einer der Soldat begriffen hatte und den Mechanismus der Ausfahrt entriegelte.
Das Schott hob sich. Wudan sei Dank!
Jetzt Energie auf die Magnetspulen. Der Leistungspegel ging nach oben, stieg auf über zehn Prozent…
Das musste reichen. Rulfan setzte die Startsequenz in Gang, schaltete das Fahrzeug in wenigen Augenblicken hoch. Und erinnerte sich an die Worte seines Fahrlehrers: »Sie werden es nie begreifen, Rulfan. Ein EWAT ist keine dieser vorsintflutlichen Dampfkarren von der Oberfläche. Der verlangt nach schonender, umsichtiger Behandlung!«
Der gute Mann wäre einem Herzinfarkt nahe gewesen, hätte er miterlebt, wie Rulfan auf die sich öffnende Ausfahrtluke zu schlitterte, sie links seitlich rammte, in den Korridor hinein schoss und erst dort das Fahrzeug mühsam wieder unter Kontrolle brachte. Die beiden Außenschleusen am Ende des Gangs fuhren endlos langsam auseinander.
Noch 52 Sekunden.
Rulfan programmierte den Autokurs. Das beherrschte er aus dem Effeff; mit Computern kannte er sich aus. Zuerst ein kurzer Stopp am Ende der Flugrampe. Nicht länger als fünf Sekunden. Dann Maximalbeschleunigung, in einem Vektor von 45 Grad.
Befehlssequenz abgeschlossen. Aktivieren.
Der EWAT bremste abrupt. Rulfan rappelte sich hoch, sprang über wild durcheinander rollende Ausrüstungsgegenstände, hechtete aus der offenen Heckschleuse. Im selben Moment beschleunigte der Flugtank, schoss hoch. Luftwirbel erfassten Rulfan, zogen ihn bis zum Rand der Rampe.
Er rollte sich zusammen, barg den Kopf zwischen den angewinkelten Armen. Im Stillen hatte er den Countdown mitgezählt. Noch zehn Sekunden. Noch fünf. Zwei, eins…
Eine Stichflamme schoss aus der Heckluke nach unten, hinein in die Wälder hinter dem kleinen Hügel etwa zwei Kilometer entfernt, aus deren Richtung er Salisbury erreicht hatte. Der Tank blähte sich auf, verging in einem Feuerball.
Metalltrümmer flogen umher, wurden wie eine zerplatzende Ballonhülle nach außen hin verdrängt.
Erst sechs Sekunden später kam der ohrenbetäubende Donner, und zwei Sekunden darauf die Druck- und Hitzewelle, die aber auf diese Entfernung keinen Schaden anrichtete.
Rulfan erhob sich, hielt sich den blutig gescheuerten Arm und wischte sich Staub von der Stirn.
Geschafft. Er hatte den Plan der Daa’muren durchkreuzt.
Er…
Die Schwäche kam ganz plötzlich über ihn. Er blinzelte kurz, dann fiel er in Ohnmacht…
16. Sieg an fast allen Fronten
»… sind Sie, Rulfan, von allen Vorwürfen freigesprochen und vollständig rehabilitiert«, sagte Sir Leonard Gabriel mit jener melodiösen Bassstimme, in der ab und zu ein klein wenig Stolz durchklang. »Die Mittel, die Sie einsetzten, um die Community Salisbury zu retten, erschienen dem Octaviat als angemessen. Die Klage auf Unverhältnismäßigkeit des Octavians für Äußere Sicherheit, Major General Duncan, wird hiermit abgewiesen.«
Rulfan atmete erleichtert auf. Es war nicht die Angst um sein persönliches Schicksal, die er spürte. Es war sein Sinn für Gerechtigkeit, der nunmehr befriedigt war.
»Des Weiteren«, so fuhr Sir Leonard fort, »wird Major General Duncan das Octaviat für Äußere Sicherheit entzogen und vorerst auf einem Sitz ohne Stimmrecht im Rat belassen. Das Octaviat bedauert es zutiefst, dass selbst die Pläne, die er in Gegenwart von Miss Kucholsky und Rulfan äußerte, nicht ausreichen, um ihn aus dem Kreis auszustoßen.«
Grimes, der Psychologe, hatte seinen Kumpanen wie eine heiße Tofane fallen lassen, nachdem die wahnhaften Pläne Duncans aufgeflogen waren, die Bunker-Community langfristig wieder auf ein Leben unter der Erde einzuschwören.
Duncan sagte nichts, stierte nur mit fiebrigen Augen geradeaus. Wer wusste schon, was hinter dieser
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