137 - Insel des Grauens
sich tragen. Er klappte den Kalender auf und fand bestätigt, was er als sicher angenommen hatte: in drei Tagen war Vollmond.
Die riesige, bleiche Scheibe des verwüsteten Gestirns war keineswegs eine besondere Ursache für Mitglieder der Schwarzen Familie, sich auf blutvoll lebende Menschen zu stürzen. Aber voller Mond, womöglich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang, erzeugte einen verderblichen Sog.
Hier und in den nächsten Nächten würde der Vollmond die Aktivitäten der blutdurstigen Vampire steigern.
Diese Entwicklung war ganz zwangsläufig. Dorian rechnete fest damit. Er zündete sich eine frische Players. an, bestellte noch einen Drink und wartete auf den Zimmerservice.
Dann packte er. Maske, Schnorchel und Schwimmflossen und ging hinunter zum Strand.
Das Wasser, herrlich klar und nicht zu warm, beruhigte Dorians angespannte Muskeln. Er wurde ruhiger mit jeder Bewegung der Flossen. Langsam bewegte er sich vom Strand weg, auf die Felshöcker zu, die rechts von ihm aus dem Meer ragten und von kleinen Wellen überspült wurden. Während er immer wieder untertauchte, Luft durch den Schnorchel saugte und ausblies, versuchte er seine Chancen abzuschätzen und einen Weg zu finden, der unnötiges Aufsehen vermeiden half. Schließlich konnte er das Inselchen nicht zum Zentrum einer Auseinandersetzung zwischen sich und den Mitgliedern der Schwarzen Familie machen. Zu viele Menschen wären betroffen, und ganz schnell würden sich die Medien der Vorfälle annehmen.
Was für den Vampirdämon galt, galt auch für ihn.
Im Verborgenen handeln und schnell zuschlagen. Je weniger davon an die Außenwelt drang, desto sicherer war der Aufenthalt auch für Ira. Wieder tauchte er schräg abwärts, blickte den kleinen Fischen nach und sah über sich die Sonnenkringel auf den Wellen tanzen.
Er konnte sich vorstellen, wie ratlos die Polizeiärzte sein würden angesichts der mumifizierten Leichen junger Frauen. Er tauchte auf, schob die eckige Taucherbrille auf die Stirn und schleuderte sein schwarzes Haar mit einem Ruck nach hinten.
Dorian schwamm entlang der Felsen und Strände und verausgabte sich nicht. Er watete auf der gegenüberliegenden Seite der Insel wieder ans Land und betrat sein Zimmer durch den kleinen Garten. Er duschte, zog sich um und nahm, nachdem er einige auffällige Silberketten und Münzen umgehängt hatte, wieder seinen strategisch günstigen Platz an der Bar ein; in der Ecke, von der aus er den gesamten Raum mit dem leeren Podium der Musiker überblicken konnte.
In steigender Spannung wartete er auf seine Partnerin in diesem Kampf. Und auf John „Blimp" Boylan.
Kurz vor dem Abendessen klingelte, wieder einmal, in der Bar das weiße Telefon. Dorian unterhielt sich leise mit Ira, die von allen Männern im Raum angestarrt wurde wie eine seltsame Erscheinung. Sie stieß ihn an und deutete auf den Barmann.
„Für dich", sagte sie. Dorian zog die Brauen hoch und nahm den Hörer entgegen. Ein Ferngespräch, wie immer in Italien überlagert von mannigfachen Störungen.
Dorian steckte einen Finger in sein Ohr und konzentrierte sich.
„Sullivan. Mystery Press. Dorian? Spreche ich mit dir selbst?"
Es war fast unmöglich, sich zu verständigen, ohne zu schreien. Überdies störte die Lautsprechermusik.
„Du sprichst mit Dorian Hunter, mein Freund", sagte er. „Wohlauf, heil angekommen, Schauplatz besichtigt. Was hast du zu berichten?"
Die Stimme war dünn, und auch Trevor mußte schreien, aber er war recht gut zu verstehen.
„Man hat unzweifelhaft John Boylan identifiziert. Es herrscht einige Aufregung, weil sein Manager bestätigt hat, daß die Gruppe ein Auslandsengagement angenommen hat."
„Ich schaue gerade auf das Schlagzeug. Sie spielen um Mitternacht hier im
Gabbiano.
Was weiter?" „Der Agent versuchte, sie zu erreichen, kam aber nicht durch. Angesichts der Umstände schickt Scotland Yard einen Kriminalkommissar mit Italienischkenntnissen nach Olbia. Verstanden?" „Verstanden. Weißt du, wie er heißt?"
„Noch nicht."
„Sonst etwas, das wir wissen müßten?"
„Die vier Musiker sind einigermaßen unbescholten. Ein bißchen Drogen, einige Weibergeschichten, Ärger mit der Steuer, also in diesen Kreisen alles im üblichen Rahmen."
„Ich verstehe. Das Interesse konzentriert sich also auf die Hauptperson. Wie reagiert die Presse auf den seltsamen Zustand des Körpers?"
„Noch sehr zurückhaltend. Und bei euch?"
„Ich habe nichts gehört. Morgen gibt es neue Zeitungen. In den
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