1370 - Amoklauf der Wissenden
hatte in der letzten Zeit so wenig Paratau genommen, daß sie die Wirkung nun um so stärker fühlte.
Sie stellte fest, daß Nana-Bea nicht in ihrer Kabine war. Sie brauchte keine Türen aufzubrechen, um auch die anderen Kabinen zu überprüf en: Die Wissenden waren nicht da. Sie hatten aber auch das Scotaming nicht verlassen - Dao-Lin spürte ihre Anwesenheit. Und als sie den Gedankenimpulsen nachging, gelangte sie in eine abgelegene Schaltzentrale, die die Voica sonst niemals benutzten.
Dao-Lin blieb am Eingang stehen und starrte fassungslos auf das Bild, das sich ihren Augen bot.
Die Wissenden saßen im Kreis um einen niedrigen Tisch herum. Sie hatten sich hier eingefunden, alle siebzehn, ohne Dao-Lin zu benachrichtigen. Sogar Dara-Ban war da. Vor jeder Wissenden lag ein Häufchen Tränen, und in der Mitte des Tisches lagen weitere Vorräte von Paratau.
Wenn die Voica dieses ganze Zeug verbrauchten, würden sie in wenigen Stunden kaum noch ihre eigenen Namen kennen. „Hört auf!" wollte Dao-Lin rufen und zu ihnen hineilen, aber eine Hand legte sich auf ihre Schulter, und sie drehte sich erschrocken um.
Oogh at Tarkan stand hinter ihr und bedeutete ihr mit einer Geste, daß sie schweigen sollte. Sie deutete verwirrt auf die Voica, aber er winkte ab und zog sie zur Seite, so daß man sie aus dem Innern der Schaltzentrale nicht mehr sehen konnte. „Ich habe sie beobachtet", flüsterte er kaum hörbar. „Sie benehmen sich merkwürdig. Ich glaube nicht, daß sie noch imstande sind, die Geschicke der Kartanin zu lenken. Sie scheinen ihre Fähigkeiten verloren zu haben." Dao-Lin starrte ihn fassungslos an. „Du mußt dich irren", wisperte sie schließlich. „Es sind die besten Esper, die ich je getroffen habe, und sie haben da drin so viel Paratau, daß sie damit jeden einzelnen Bewohner von ganz Kartan beeinflussen könnten!"
Oogh at Tarkan machte eine ungeduldige Handbewegung, und seine Augen blickten verächtlich. „Hast du in der letzten Zeit Paratau benutzt?" fragte er. „Gerade eben", erwiderte Dao-Lin. „Hast du dabei etwas Ungewöhnliches bemerkt?"
„Nein!"
Das schien ihn zu überraschen. „Komm!" befahl er schließlich. Dao-Lin zögerte. Die Voica hatten offenbar die Kontrolle über sich verloren. Sie brauchten Hilfe, und es schien, als gäbe es außer Dao-Lin niemanden, der ihnen diese Hilfe bringen konnte. Bei allem Respekt, den sie vor Oogh at Tarkan hatte: Mit diesen Dingen konnte er sich nicht auskennen. Als männlicher Kartanin hatte er keinen Zugang zu den Kräften, die die Tränen der N'jala den Espern vermittelten.
Aber Oogh at Tarkan sah über die Schulter zurück und winkte befehlend, und so gehorchte sie schließlich doch.
Er führte sie in einen Raum, den sie nie zuvor betreten hatte. Verschiedene Spuren deuteten darauf hin, daß er sich in der letzten Zeit sehr oft hier aufgehalten hatte. Der Raum war fast leer. Er enthielt nur ein Schaltpult und einen Sessel. Mehrere Bildschirme waren in Betrieb und zeigten das Innere der Schaltzentrale und einiger Kabinen.
Dao-Lin zuckte innerlich zusammen, als ihr klar wurde, daß Oogh at Tarkan sie und die anderen Wissenden von hier aus beobachtet hatte - wie lange schon?
Aber sie hatte nichts zu verbergen. Er holte ein Kästchen hervor und hielt es ihr hin. Sie blickte verblüfft auf mehrere Tropfen Paratau. Was wollte er damit? Er konnte doch nichts damit anfangen! „Lies meine Gedanken!" forderte er. Wenn er es unbedingt wollte ... Sie nahm einen Tropfen in die Hand und sah ihn fragend an. Und dann „hörte" sie: „Erinnere dich an meinen Bericht über die Geschichte der Kartanin: Als wir in dieses Universum kamen, vor über fünfzigtausend Jahren, da wurde die Psi-Konstante angehoben. Durch dieses Ereignis wurden jene Tropfen, die ihr die Tränen der N'jala nennt, zu einem Psichogon. Du weißt, daß inzwischen ein Teil unserer Heimatgalaxis in diesem Universum erschienen ist.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß die Psi-Konstante sich durch dieses Ereignis erneut verändert daß sie wieder auf den ursprünglichen Wert sinkt. Das bedeutet, daß der Paratau wieder zu jener harmlosen Substanz wird, die er ursprünglich war."
Dao-Lin-H'ay starrte ihn entgeistert an. „Du hast mich verstanden", stellte er fest. „Ich habe die Worte gehört", murmelte Dao-Lin. „Aber ich habe sie nicht begriffen."
„Ich glaube eher, daß du nicht begreifen willst", sagte Oogh at Tarkan trocken. „Es ist nur eine Vermutung von dir!" rief
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