138 - Nostradamus - Gericht im Jenseits
nicht
zurückgeschreckt wäre.
Iwan lag mit seinem ganzen Gesicht auf der
Hand, die sich langsam umdrehte. Willys Gesicht war verzerrt, und in seinen
Augen flackerte ein wildes Licht.
Sein rechter Zeigefinger, der fest um den
Abzugshahn der Waffe lag, krümmte sich.
Die Mündung deutete auf den schräg über
ihm liegenden Russen, der außer seinen Händen und seinem Kopf nichts weiter
bewegen konnte.
Da stieß X-RAY-7 ruckartig die Hand nach
vorn und brachte die Mündung aus der Gefahrenrichtung.
Durch die heftige Bewegung löste sich der
Schuß. Blitzartig schnellte die imprägnierte Nadelspitze nach vorn. Die Nadel
war zehn Zentimeter lang.
Willy schrie gellend auf.
Die Nadel erwischte ihn oberhalb der
Gürtellinie und ritzte seine Haut.
Das genügte ...
Der Mann verdrehte die Augen. Seine
Gesichtszüge wurden schlaff, die Mundwinkel klappten herunter.
Das Betäubungsgift wirkte sofort.
Sekundenlang blieb Kunaritschew
schweratmend liegen.
Dann rollte er sich herum und griff weit
hinter sich, um den Verschluß des Ledergurts unterhalb der Liege zu fassen und
zu öffnen.
Es gelang ihm auf Anhieb.
Kein Problem mehr war es für ihn, die
Schlaufen über den Fußgelenken abzustreifen.
Er hob Conelleys Faktotum auf und legte
ihn auf die Pritsche.
»So, Towarischtsch«, murmelte X-RAY-7.
»Jetzt drehen wir den Spieß um! Ich wünsche guten Schlaf und frohes Erwachen!
Er zerrte die Ledergurte fest und schob
die Pritsche seitlich gegen die Wand.
Dann durchquerte er das Zimmer und nahm
den Telefonhörer von der Gabel.
Er wählte die Nummer des Innenministeriums
und nannte einen Code. Der bewirkte, daß man ihn mit dem Minister direkt
verband.
Iwan Kunaritschew gab sich als PSA-Agent
zu erkennen, nannte die Situation, in die er geraten war, und erwähnte den
Privatjet des Amerikaners James Conelley, der in dieser frühen Morgenstunde
startbereit auf dem Pariser Flughafen Orly stand.
Es wäre ein leichtes gewesen, Conelley,
der in diesem Augenblick den Flughafen noch keineswegs erreicht haben konnte,
von seinem Vorhaben abzubringen.
Genau das aber wollte X-RAY-7 nicht.
»Lassen Sie ihn gewähren. Es soll alles so
über die Bühne gehen, wie er sich das gedacht hat. Sorgen Sie doch bitte nur
dafür, daß er unter irgendeinem Vorwand von Ihren Leuten auf dem Weg zum
Flugplatz aufgehalten wird. Dadurch gewinne ich einige Minuten. Ich werde mich
umgehend zum Flughafen
bringen lassen. Wenn es mir ermöglicht
werden könnte, daß ich ungesehen vor Conelleys Ankunft in seinen Jet schlüpfen
könnte, dann wäre viel gewonnen. Wenn in Montpellier dann noch ein Wagen für
mich bereitstünde, mit dem ich hinter Monsieur Conelley herfahren könnte, wäre
ich wunschlos glücklich. Vielen, Dank, Sir!«
Iwan Kunaritschew legte auf.
Er grinste.
»Und jetzt, Towarischtsch Conelley, wollen
wir doch mal sehen, wer den längeren Atem hat.«
*
Morna stand schon frühzeitig auf.
Sie wunderte sich, daß Larry nicht neben
ihr lag.
Ob er so spät ins Hotel zurückgekommen
war, daß er todmüde ins Bett fiel?
Sie ging zur Zwischentür und öffnete sie.
Das Bett im Nebenzimmer - war unbenutzt.
X-RAY-3 war in dieser Nacht überhaupt
nicht gekommen ...
So lange konnte das von ihm eingefädelte
Unternehmen doch nicht dauern, dachte Moma, und Unruhe erfüllte sie.
Sie machte nur flüchtig Toilette. Es war
halb acht, als sie ihr Zimmer verließ.
Sie ging nicht in den Frühstücksraum, lief
zur Rezeption und bat den Portier, ihr umgehend ein Taxi zu bestellen.
»Sie wollen ohne Frühstück gehen,
Mademoiselle?« wunderte der Mann sich.
»Ich muß eine dringende Besorgung machen.
Die duldet keinen Aufschub. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich aber
zurückkommen und mein Frühstück noch einnehmen.«
Sie verließ das Hotel, als das Taxi eintraf.
Sie nannte ihr Ziel. Es war der Friedhof im Pariser Stadtteil Neuilly ...
»Fahren Sie so schnell es geht, Monsieur.«
Der Fahrer, eine erloschene Zigarre im
Mundwinkel haltend, warf einen irritierten Blick in den Rückspiegel.
»So früh haben Sie’s so eilig, dahin zu
kommen?« wunderte er sich.
Sie antwortete nicht darauf. Es kam ihr
vor wie eine Ewigkeit, ehe sie den Friedhof erreichten.
»Warten Sie bitte hier auf mich«, bat sie
den Chauffeur. Zur Sicherheit ließ sie ihm dreißig Francs zurück. Morna lief
zum großen Eingangstor, das geöffnet war. Die Friedhofsgärtner waren bereits
bei der Arbeit.
Larry Brent war letzte Nacht
hierhergekommen, um sich
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