138 - Tödliche Fracht
Senke.
Dort unten stand tatsächlich der Transporter.
Doch es befand sich keine Menschenseele mehr in seiner Nähe. Und nicht nur das.
»Die haben den Reaktormantel geöffnet!«, erkannte Selina, und alles Blut wich aus ihrem Gesicht. »Die innere Zelle fehlt!«
***
Sie hielten sich tapfer, obwohl allen dreien längst zum Brechen übel war und ihre Körper nur noch aus Prellungen und blauen Flecken zu bestehen schienen. Die Kugel hörte nicht auf, sich immer weiter und weiter zu drehen. Längst hatten sie die Orientierung verloren, wussten nicht mehr, wo oben und unten war. Matthew Drax war nach Sterben zumute. So elend hatte er sich in seinem ganzen Leben nicht gefühlt, noch nicht einmal in der Zentrifuge beim Pilotentraining. Die Schmerzen waren dabei noch das Geringste. Aber es gab nur wenige Möglichkeiten, sich im Inneren der Kugel festzuklammern, und so waren sie die meiste Zeit damit beschäftigt, ihre Schuhe und Ellbogen nicht in den Weichteilen der beiden anderen Leidensgenossen zu versenken, während sie immer wieder den Halt verloren und in der absoluten Dunkelheit über die Metallwandung rutschten und scheuerten.
Wer hatte auch damit rechnen können, dass die Daa’muren die Reaktorkugel aus dem Schutzmantel lösen und auf ihrer Flucht vor sich herrollen würden? Der Gedanke war so absurd, dass kein Stratege ihn ernsthaft erwogen hatte.
Natürlich starb Matt nicht. Keiner von ihnen. Und irgendwann stoppte das kreiselnde Miniatur-Universum, in dem sie gefangen waren, so plötzlich, dass sie von der Wand nach unten rutschten.
Matt schlug hart mit dem Kopf an und kämpfte ein paar Sekunden um seine Besinnung. Nur am Rande registrierte er, dass seine Gefährten neben ihm zu liegen kamen, keuchend und stöhnend. Matts Gleichgewichtssinn, der sich dem abrupten Halt nicht so schnell anpassen konnte, folgte immer noch der Drehbewegung, und er presste die Hände auf den Boden, während er in einen unendlich tiefen Strudel hinab zu tauchen glaubte. Einen Bezugspunkt zu finden, an dem der Blick sich festhalten konnte, war in der Finsternis unmöglich.
Er musste die Nachwirkungen der Rotation allein mit Willenskraft durchstehen.
Um seinen Körper zu fühlen, bewegte Matt Arme und Beine, versuchte sein Gesicht zu berühren, aber die Koordinierung stimmte immer noch nicht. Er griff daneben, fühlte etwas Weiches, Nachgiebiges, zuckte zurück und hörte Aruulas entrüstete Stimme dicht über seinem Kopf:
»He, wer war das?! Behaltet eure Hände bei euch, ihr… Männer!«
Matt hütete sich, etwas darauf zu erwidern. Er öffnete und schloss die Augen, machte Kaubewegungen, schluckte – was nicht so einfach war mit ausgetrocknetem Mund –, und allmählich bekam er wieder ein Gefühl dafür, was oben und unten war. Ganz langsam ließ das Schwindelgefühl nach, und er schaffte es, einigermaßen verständlich hervorzubringen:
»Alles in Ordnung mit euch?«
»Nein«, seufzte eine schwermütige Stimme, die Lieutenant Shaw gehörte.
»Alles okee«, kam es von Aruula. Was mit ziemlicher Sicherheit maßlos übertrieben war. Doch als Kriegerin gab sie eine Schwäche ungern zu.
Als ein Ruck durch die Kugel ging, gerieten sie alle drei dennoch fast in Panik.
»Nicht schon wieder!«, rief Aruula.
Die Art, wie die Kugel sich nun bewegte, war aber auf seltsame Weise… schwebend. Sie drehte sich zwar wieder, allerdings sehr viel langsamer und nur zur Hälfte. Die drei Menschen hielten den Schwerpunkt unten, und die Schaukelbewegung hörte rasch wieder auf. Trotzdem hatten sie den Eindruck, sich zu bewegen… und zwar abwärts!
Automatisch zählte Matt die Sekunden in Gedanken mit: Elf… zwölf… dreizehn…
Dann kam die Kugel zum Stillstand, setzte sanft irgendwo auf, und wiederum umgab sie Stille.
Die drei Menschen hielten den Atem an und lauschten. Die erzwungene Konzentration half ihnen, sich schneller zu erholen, und auch die Schmerzen waren für diesen Moment vergessen.
»Was ist passiert?«, flüsterte Aruula. Sie dämpfte unwillkürlich die Stimme.
»Ich schätze, sie haben uns versenkt«, antwortete Matt ebenso leise. »Wahrscheinlich in einem See; vom Meer waren wir zu weit entfernt. Wir dürften zwischen vier und fünf Meter unter der Wasseroberfläche sein.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, staunte Shaw. »Haben Sie etwa die Fallgeschwindigkeit berechnet?«
»Nein, aber ich habe mitgezählt. Ist so eine Angewohnheit von früher, wenn ich irgendwo ohne Maske getaucht bin. Ich zählte ab, wann
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