1381 - Wanderer zwischen den Welten
hatte. Dass eine echte Vampirin vor ihm stand, das glaubte er nie und nimmer.
Er ahnte auch nichts von dem inneren Kampf, der in dieser Person tobte. Das Blut war so nahe. Es reichte ein Biss, um an es heranzukommen. Dann würde es sprudeln, dann konnte sie es trinken.
Aber da gab es noch eine Jane Collins, für die sich Justine in diesen Augenblicken verantwortlich fühlte.
»Ich will wissen, wo sie ist«, flüsterte sie. »Hast du das nicht gehört, verdammt?«
»Doch, habe ich, aber…«
»Keine Einwände mehr.« Sie drückte den Professor noch härter gegen die Wand. »Ich will sie nicht töten, ich will sie beschützen. Doch wenn du jetzt dein Maul nicht aufmachst, geht es dir schlecht.«
Der Professor war klug genug, um zu erkennen, wann eine Grenze erreicht war. Genau das war jetzt der Fall. Es ging nicht mehr weiter. Er konnte sich nicht weigern. Diese Person ging über Leichen, doch auf der anderen Seite glaubte er ihr auch. Es konnte durchaus sein, dass sie wegen seiner Patientin gekommen war, die er sowie nicht als normal ansah.
»Gut, gut. Lassen Sie mich los!«
Justine tat es sofort.
Der Professor fiel wieder zurück auf seine Füße. Der Aufprall war ein wenig zu heftig für ihn, und so sackte er in die Knie. Er war mit öligem Schweiß bedeckt. Was hier geschah, das überstieg sein Begriffsvermögen. Aber er musste da durch, und es gab keine andere Lösung, als dieser Person nachzugeben.
»Kommen Sie mit!«
»Okay.« Justine trat zur Seite. »Nur keine Tricks, Professor, ich warne Sie.«
»Nein, nein, das geht schon in Ordnung.« Er merkte, dass seine Beine weich geworden waren. In einer derartigen Lage hatte er sich noch nie befunden.
Noch immer konnte er sich diese Person nicht als real vorstellen, aber er musste sich damit abfinden. Möglicherweise wollte diese blonde Frau sich wirklich um Jane Collins kümmern, und zwar im positiven Sinne.
Als er seine Hand auf die Türklinke legte, bemerkte er, wie sehr seine Finger zitterten. Außerdem war die Haut so nass und glatt, dass die Hand beinahe abgerutscht wäre.
Er fing sich wieder, öffnete die Tür und trat hinaus in den Gang.
Auch die Blonde schob sich durch den Spalt, und als sie ging, war so gut wie kein Laut zu hören.
»Und jetzt?«, fragte Justine.
»Kommen Sie mit.«
Mit gesenktem Kopf ging der Professor und wusste noch immer nicht, was in seiner Klinik genau ablief…
***
Ich hatte Sukos BMW genommen, zu dem ich einen Ersatzschlüssel besaß. Bei Norma war ich auf Nummer Sicher gegangen und hatte sie mit einer Handschelle belegt. Der eine Ring umschloss ihr Gelenk, der andere den Haltegriff am Beifahrersitz.
Einer wie sie traute ich nicht. Sie war gefährlich, doch an der Beifahrertür gekettet, würde sie nicht in der Lage sein, mich während der Fahrt anzugreifen und so zu behindern, dass ich nicht mehr lenken konnte.
Ich kannte die Strecke, und so rollte ich mit mäßiger Geschwindigkeit durch die dunkle Nacht. Die Frau an meiner linken Seite schaute starr nach vorn. Sie sprach nicht, doch offenbar hielt sie Zwiesprache mit sich selbst, denn ab und zu nickte sie oder schüttelte auch mal den Kopf, wenn ihr die eigenen Gedanken nicht gefielen.
Mir kam die Strecke seltsamerweise länger vor als bei der Hinfahrt. Es konnte daran liegen, dass zu viel geschehen war und sich jetzt alles einem Ende näherte.
Schließlich sah ich den Weg, der zum Haus führte.
Dass ich Suko und Cynthia Black allein gelassen hatte, gefiel mir nicht. Doch auch ich konnte mich nicht teilen und an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig sein.
Als das Motorengeräusch verstummte, meldete sich Norma. »Bist du zufrieden?«
»Noch nicht.«
Sie kicherte. »Es wird spannend werden, das schwöre ich dir.«
»Weiß ich.«
»Hast du keine Angst um dein Leben?«
»Doch, die hat wohl jeder. Aber ich werde mein Leben schützen.«
»Dann bist du hier an der falschen Stelle.«
»Wir werden sehen.«
Bei dieser letzten Antwort war ich bereits ausgestiegen. Ich schritt um den Wagen herum und öffnete auch die Beifahrertür. Erst danach befreite ich Norma von ihren Fessel.
Sie stieg auch sofort aus und grinste mich dabei kalt an. »Ich werde Spaß haben«, versprach sie mir.
»Ich möglicherweise auch.«
Mit einer tänzerischen Bewegung drehte sie ab. »Nein, Sinclair, mein Spaß wird nicht derjenige sein, den du hast, das kann ich dir versprechen.« Nach einem halblauten Lachen lief sie wie ein Kind auf das Haus zu und durchquerte auch das Licht
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