1383 - Hexenfriedhof
hat sie mir gesagt. Sie sah mich nicht als stark genug an.«
Jane war jetzt sehr neugierig geworden. »Aber was war nun der eigentliche Grund für ihr Verhalten?«
»Sie war eine Wächterin.«
»Eine – was?«
»Sie hat dieses Gelände hier bewacht.«
Fast hätte Jane gelacht, doch sie riss sich zusammen. »Was hat sie denn hier bewachen sollen?«
»Einen Friedhof«, lautete die leise Antwort. »Sie hat einen Friedhof bewachen sollen. Sogar einen Hexenfriedhof.«
Jane Collins erwiderte nichts. Mit jeder Antwort hatte sie gerechnet, doch damit nicht. Es ging um einen Friedhof, den sie bisher noch nicht gesehen hatte. Deshalb konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass es ihn gab. Zu einem Friedhof gehören normalerweise Gräber, also sichtbare Zeichen, dass etwas Bestimmtes vorhanden ist. Das aber fehlte hier. Sie hatte weder Gräber noch Hinweise darauf gesehen.
Jane schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, gab sie zu.
»Wie kommst du darauf?«
»Weil es eine Tatsache ist.«
»Und wo kann ich den Friedhof finden? Ich sehe ihn nicht.«
»Aber es gibt ihn. Wir werden Elvira dort begraben. Er liegt hinter dem Haus.«
Damit hätte Jane Collins nie und nimmer gerechnet. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen, aber sie kam zu dem Entschluss, dass jemand wie Lucy Carver keinen Grund hatte, ihr eine Lüge aufzutischen.
»Hier sind also die Hexen begraben?«, sagte sie.
»Ja. Und wir werden Elvira dazulegen.«
»Weißt du denn mehr über diesen Friedhof?«
»Eigentlich nicht. Elvira hat selten darüber gesprochen. Dann aber meinte sie, dass es Friedhöfe gibt, auf denen die Toten nicht unbedingt tot sein müssen.«
»Oh. Dann können wir davon ausgehen, dass man die Hexen hier bei lebendigem Leib begraben hat?«
»Das weiß ich nicht.«
Jane ließ nicht locker. »Bist du denn bei einem dieser Begräbnisse dabei gewesen?«
»Nein, nie. Das liegt auch alles lange zurück. Erst durch Elvira bekommt er neuen Nachschub. Auch sie war nicht allmächtig und lebte nicht ewig. Das wusste sie, aber die wollte auch alles geregelt haben, und deshalb hat sie dich ausgesucht.«
»Ja, jetzt begreife ich den Plan. Nur hat sie bei mir auf die falsche Person gesetzt.«
Die Antwort erstaunte Lucy. »Ach, gehörst du denn nicht zu uns, Jane?«
»Nein. Nicht so, wie Elvira gedacht hat«, erklärte die Detektivin.
»Ich war mal eine Hexe oder wie man das nennen soll. Doch die Zeiten sind vorbei.«
Lucy Carver stellte eine sehr richtige Frage. »Und warum hat Elvira dich dann ausgesucht?«
»Nun ja.« Jane hob die Schultern. »Das kann ich dir so genau auch nicht sagen, ehrlich.« Sie wollte nichts von ihrer Vergangenheit berichten, denn die ging Lucy nichts an. »Machen wir weiter?«, fragte sie stattdessen.
»Ja, natürlich.«
Beide Frauen bückten sich. Erneut wurde die Tote aufgehoben, bevor sie ihren Weg fortsetzten.
Jane Collins hatte die Pause gut getan. Besonders deshalb, weil sie etwas Bestimmtes erfahren hatte, das in der nahen Zukunft sicherlich noch wichtig werden würde. Davon war sie einfach überzeugt.
Die Nacht hatte noch nicht begonnen, es war noch Abend, und Jane konnte sich vorstellen, dass noch einige verdammt lange Stunden vor ihr lagen. Es wäre wirklich besser gewesen, John Sinclair hier zu haben. Ohne Telefon stand sie auf verlorenem Posten.
Genau das war das Problem.
Bewacherin der Toten. Dieser Begriff schoss Jane Collins auf einmal durch den Kopf. Eine Bewacherin der Toten war Elvira gewesen. Und sie hatte eine Nachfolgerin gesucht. Jane hätte es werden sollen, aber da konnte sie sich etwas Besseres vorstellen.
Eine Hüterin der in der Erde liegenden Hexenleichen wollte sie nicht sein, und so konnte sie nur hoffen, dass sie auch in der Erde blieben.
Beide Frauen umrundeten das Haus und gingen auf die dunkle Seite. Von einem Friedhof war nichts zu sehen. Da ragten keine Grabsteine wie starre Schatten aus dem Boden. So weit sie erkennen konnten, war das Gelände flach, und es wäre niemand auf den Gedanken gekommen, hier einen Hexenfriedhof zu vermuten.
»Gibt es hier kein Licht?«, fragte Jane.
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Es macht keinen Spaß, im Dunkeln zu graben. Wobei ich sowieso nicht gern Gräber aushebe.«
»Das mache ich dann, denn das bin ich Elvira schuldig. Sie hat sich sehr für mich eingesetzt.«
»Nein, nein, das lassen wir mal. Reicht es?«
»Gut so. Wir legen sie hier nieder.«
»Und jetzt wirst du Werkzeug besorgen?«
»Spaten und
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