1383 - Hexenfriedhof
hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt. Zu einsam war es hier nicht. Es gab einen Ort in der Nähe. Sie hatte in der Ferne Lichter gesehen. Wenn alles vorbei war, wollte sie dort hinfahren und John Sinclair anrufen. Das hätte sie am liebsten schon jetzt getan, aber zunächst musste sie sich um die Leiche kümmern.
Sie hatte genug Unheimliches in ihrem Leben erfahren müssen, um Lucys Worte nicht in Zweifel zu ziehen. Sie wollte verhindern, dass Elvira zu einer Untoten wurde, zu einem Zombie, deshalb wollte auch sie die Leiche hier nicht liegen lassen, sondern sie begraben. Jane wusste nicht, ob das wirklich ein Wiedererwachen der Toten verhinderte, aber sie würde Lucy trotzdem dabei helfen, denn einen Zombie wollte sie hier nicht herumlaufen haben.
»Fass mit an, bitte!«
Lucy wirkte verkrampft. Sie stand unter Druck und schüttelte sich, bevor sie sich traute, die Beine der toten Hexe anzuheben.
Jane fasste sie an den Schultern an. Die Gestalt war recht leicht. In den letzten Wochen hatte sie schon einiges an Gewicht verloren.
Beide Frauen trugen die Tote durch den Laden. Jane ging dabei rückwärts. Sie hatte sich den Weg gemerkt, außerdem brannte Licht, sodass die Gefahr, zu stolpern, recht gering war.
Noch immer begriff sie nicht richtig, was hier geschehen war. Sie war wirklich ins kalte Wasser geworfen worden.
Weg aus dem Krankenhaus und mitten hinein in einen Fall, über den sie nur den Kopf schütteln konnte. Es war eben ihr Schicksal, ständig mit den anderen Mächten konfrontiert zu werden, genau wie John Sinclair oder Suko.
Als sie aus der Haustür traten und der Lichtschein über sie hinwegfiel, blieben sie stehen. Lucy wollte eine kurze Pause einlegen, und so legten sie die Tote zu Boden.
Jane sah, dass Lucy mit sich zu kämpfen hatte. Mehr als einmal strich sie über ihr Gesicht und bemühte sich dabei, keinen Blick auf die Leiche zu werfen.
»Darf ich dich was fragen?«
»Bitte.«
Jane lächelte. »Bist du wirklich das, was man eine Hexe nennt? Oder hast du das einfach nur so dahingesagt?«
Lucy musste überlegen. Die Pause kam Jane recht. Auch sie war nicht mehr ganz fit oder besser gesagt, noch immer nicht. Man hatte versucht, sie umzubringen. Sie hatte daraufhin einige Tage im Krankenhaus gelegen und war praktisch vom Bett aus in diesen Fall hineingeraten. Bisher hatte er sie mehr seelisch belastet als körperlich, aber das konnte sich ändern.
»Du willst eine Antwort, wie?«
»Ja, die hätte ich gern.«
Lucy hob die Schultern und schaute zu Boden. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Ich weiß es selbst nicht. Aber es hat mich schon fasziniert. Ich habe mich schon immer dafür interessiert. Ich habe auch viel über Hexen gelesen und war schließlich soweit, dass ich den Kontakt gesucht und auch gefunden habe.«
»So bist du zu Elvira gekommen.«
»Ja. Aus London. Ich wollte nicht mehr in dieser Stadt sein. Hier gefiel es mir besser.«
»Und Elvira hat hier gewohnt?«
Lucy nickte.
»Kennst du den Grund?«, fragte Jane. »Es ist ja nicht jedermanns Sache, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen und dem Hexendasein nachzugehen.«
»Das stimmt schon«, gab Lucy zu. »Aber es ging nicht nur um die Einsamkeit. So einsam war es hier nicht. Es hat sich herumgesprochen, dass man bei ihr Heilkräuter kaufen konnte. Elvira war sehr gut, und sie wusste viel. So kannte sie noch die alten Rezepte von früher. Sie wusste, wie man Krankheiten oder Verletzungen heilt, ohne auf die moderne Medizin zurückzugreifen. Und sie hat auch oft geholfen. Das hat sich herumgesprochen.«
»Hattet ihr auch ein Auto?«
»Ja, ich. Elvira hat es mir gekauft. Ich habe manchmal Besorgungen für sie gemacht.«
»Dann hast du dich bei ihr also wohl gefühlt?«
»Ich konnte mich nicht beklagen, wirklich nicht. London habe ich nicht vermisst.«
»Man muss schon eine besondere Person sein, um in dieser Gegend leben zu können.«
»Der Ort war sehr wichtig für sie«, erklärte Lucy Carver und überraschte Jane ein wenig mit dieser Antwort.
Deshalb fragte sie auch nach dem Grund.
»Das liegt alles in der Vergangenheit«, sagte Lucy. »Die spielt hier eine große Rolle. Elvira hat sich den Ort wohl nicht freiwillig ausgesucht. Sie musste hier bleiben. Sie sah sich als eine Person, die eine Aufgabe übernommen hatte.«
»Nicht nur den Laden?«
»Nicht nur den Laden. Ich glaube, dass etwas anderes noch wichtiger für sie war. Deshalb suchte sie auch eine Nachfolgerin. Ich konnte es nicht werden, das
Weitere Kostenlose Bücher