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1388 - Kurier nach Tarkan

Titel: 1388 - Kurier nach Tarkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Symbole den Text der Leuchtzeichen ausmachten, und dennoch las er ohne Mühe: ORDNUNG IST HEILIG - DER SATZ IST FREVEL!
    Er verstand das nicht, weil er nicht wußte, was der Satz war. Er sah, daß die Straße sich jenseits des sechseckigen Gebäudes fortsetzte und daß auch dort die Symmetrie der Stadt ungebrochen war. Die Stadt als Ganzes, das sah er jetzt, hatte die Form eines Kreises, dessen Durchmesser er auf 30 Kilometer schätzte. Über dem Zentrum des Platzes hielt er an. Er wußte nicht, auf welche Weise seine Bewegung gesteuert wurde. Er schwebte über dem Dach des sechseckigen Gebäudes und hatte plötzlich das Empfinden, die Landschaft unter ihm verdunkle sich. Ein Schatten schien über den Platz zu fallen. Er sah auf und bemerkte, daß der Himmel, der ihm zuvor weiß erschienen war, eine rötliche Färbung angenommen hatte.
    Wie düstere Wolken trieb es von allen Seiten auf den Zenit zu. Im Zenit selbst aber bildete sich ein Ort intensiver, tiefroter Glut.
    Reginald Bull hörte ein dumpfes Brausen, das aus der Höhe kam und an Lautstärke stetig zunahm. Und jetzt merkte er zum erstenmal, daß auch sein Gefühlssinn noch aktiv war. Er empfand Wärme. Sie schien ihm auf der Haut zu brennen, obwohl er körperlos war. Aus der Tief ebrandete Geschrei empor. Er blickte nach unten und bemerkte, daß die Fußgänger in Panik geraten waren. Sie rannten, so schnell sie konnten, auf das sechseckige Gebäude zu, als wollten sie darin Schutz suchen. Auch die beiden Fahrzeugströme waren längst nicht mehr so geordnet wie zuvor. Die Fahrzeuge, die bisher stadtauswärts gefahren waren, wendeten mitten auf der Fahrbahn und nahmen ebenfalls Kurs auf das Bauwerk im Zentrum des runden Platzes. Bei unvorsichtigem Manövrieren kam es zu Zusammenstößen. Bull hörte das Knirschen und Krachen der Kollisionen, und das Geschrei, das zu ihm emportönte, wurde immer durchdringender.
    Die Hitze war nachgerade unerträglich. Er glaubte zu spüren, wie sie ihm das Haar versengte. Er glaubte die Brauen knistern zu hören. Er bekam keine Luft mehr, obwohl er doch gar keinen Körper besaß, der der Atmung bedurft hätte.
    Der Himmel begann zu schmelzen. In großen, länglichen Fetzen löste sich die Glut aus dem Firmament und stürzte auf die Stadt herab. Da, wo die glühenden Fetzen aufschlugen, entstanden Brände, und die Brände lösten Explosionen aus, die giftige Qualmpilze in die Höhe schleuderten. Gestank erfüllte die Luft, und Reginald Bull meinte, bei lebendigem Leib zu verbrennen.
    Da riß im Zenit der Himmel auf. Bull, seiner Sinne kaum noch mächtig, glaubte, eine von loderndem Feuerschein umgebene humanoide Gestalt zu erkennen, die Gestalt einer Frau. Ihre Augen flammten, und ihr Gesicht war eine Grimasse unbeherrschten Zorns. Mit einer Lautstärke, die die heiße Luft zum Zittern brachte, schrie sie: „Die Ordnung ist eine Erfindung des Teufels! Nur der Satz ist wahr!"
    Reginald Bull hatte plötzlich das Empfinden der Schwerelosigkeit. Er stürzte! Es war finster geworden, aber unter ihm irgendwo befand sich das sechseckige Gebäude, auf dessen Dach er unweigerlich zerschellen würde.
    Da verstummten mit einemmal alle Geräusche: das dumpfe Brausen, das Schreien der Fußgänger, das Krachen und Knirschen der Fahrzeugzusammenstöße. Und eine Stimme war zu hören, die Reginald Bull merkwürdig bekannt vorkam. In verwundertem Tonfall sagte sie auf terranisch: „Da ist etwas ganz erheblich schiefgegangen."
    Er öffnete die Augen. Er hockte auf dem Boden eines von Unordnung erfüllten, nur mäßig erleuchteten Raumes. Vor ihm stand ein hölzerner Tisch, und über dem Tisch baumelte eine altmodische Lampe mit einem weit ausladenden Schirm. Von der Seite her beugte sich ein Mensch über ihn - ein hochaufgeschossener, dürrer Mensch - und musterte ihn mit besorgtem Blick. „Benneker Vling", ächzte Reginald Bull. „Du schon wieder?"
     
    *
     
    Der Dürre griff Reginald Bull unter die Arme und zog ihn in die Höhe. Bull ließ es sich gefallen. Er war mit seinen Gedanken beschäftigt. Er wollte einen Sinn in den Vorgängen der jüngst vergangenen Minuten erkennen. Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, daß seit dem Augenblick, da Vee Yii Ly das Hypnotron aktiviert hatte, in der Tat vier Minuten vergangen waren. Das war weitaus weniger Zeit, als er in der fremden Welt, in der alles symmetrisch war, verbracht zu haben glaubte. Aber daran brauchte man sich nicht zu stören. Träume und Visionen brachten ihr eigenes Zeitempfinden

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