1388 - Kurier nach Tarkan
Gelenksessel machte die Bewegung willig mit. Das Chronometer zeigte 16.44 Uhr. Der kritische Augenblick war überstanden. Er faßte das Bild schärfer ins Auge. Die Sternendichte war geringer, als er sie vom Zentrum Hangays her in Erinnerung hatte. Er musterte die Orteranzeige. Sie war leer. Es befanden sich keine fremden Fahrzeuge in der Nähe der CIMARRON.
Seitwärts hörte er ein halblautes Ächzen. Er wandte sich um und sah, wie Lalande Mishkom ihren Sessel in die aufrechte Position fuhr. Er hörte sie jammernd sagen: „Ich hätte auf meinen Urahn hören sollen. >Der geschnitzte Pfeil liegt besser auf der Sehne als die Hand auf dem Bauch<, sagte er immer. Hätte ich mir den Rat doch nur zu Herzen genommen!"
„Keine Sorge", kommentierte Ian Longwyn in seiner unterkühlten Art. „Deswegen wärst du heute auch nicht schlanker."
„Du verstehst nichts von alten Buschweisheiten", beschwerte sich Lalla. „Dafür danke ich meinem Schöpfer."
„Alle Systeme in bester Ordnung", meldete Vee Yii Ly. „Syntron!" verlangte Reginald Bull „Hier!" antwortete die Computerstimme aus dem unsichtbaren Audioservo. „Wo sind wir?"
„Strangeness-Messungen sind positiv", lautete die Antwort. „Wir haben Tarkan erreicht."
„Die Hypnotrone haben versagt. Was war los?"
„Das weiß ich vorläufig nicht. Ich bin mit der Schadensanalyse beschäftigt."
„Melde dich, sobald die ersten Ergebnisse vorliegen", sagte Bull. „Ich kann immer noch nicht begreifen, wie die ..."
Er schwieg, als das Haupteingangsschott beiseite glitt. In der Öffnung erschien Eirene. Sie wirkte aufgelöst. Die Augen waren weit aufgerissen, das Haar hing ihr unordentlich ins Gesicht. Sie machte den Eindruck, als sei sie auf dem Weg hierher dem Leibhaftigen begegnet. Sie hielt geradewegs auf die Kontrollkonsole zu, erklomm die drei Stufen und ließ es zu, daß Reginald Bull ihr den Arm um die Schulter legte. Trockenes Schluchzen erschütterte den schlanken Körper. „Was ist geschehen, um Gottes willen?" fragte Bull erschrocken.
Sie schüttelte den Kopf. „Nichts, eigentlich", brachte sie schluckend hervor. „Nichts Schlimmes wenigstens. Ich war ... ich war nur so überrascht."
„Wovon?"
Das Schott hatte sich noch nicht wieder geschlossen. Zwei weitere Gestalten erschienen in der Öffnung.
Die eine war Benneker Vling. Er trug seine schmuddelige grüne Technikermontur. An seiner Seite befand sich eine junge Frau, hübsch, aber ein wenig vulgär. Sie trug grellbunte Kleidung, die so geschnitten war, daß sie die wohlgeformten Beine und die Ansätze der kräftig entwickelten Brüste voll zur Geltung kommen ließ.
Reginald Bull hatte die Frau nie zuvor gesehen. Man hätte sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung als eine Art bessergestellter Schlampe abtun mögen, aber es umgab sie etwas, eine Aura, ein psychisches Kraftfeld, dessen Einfluß man sich nicht ohne weiteres entziehen konnte. „Wer ist das?" fragte Bull. „Die Frage hast du schon einmal gestellt", antwortete die junge Frau schnippisch, „und auch eine Antwort darauf erhalten. Wo ist dein Gedächtnis? Kannst du dich nicht einmal mehr ein paar Minuten weit erinnern? Ich bin Si kitu, das Nichts. Ich bin Si kitu, die Mutter der Entropie und die Hüterin des Zweiten Satzes."
Reginald Bull stand starr. Er hatte von Perry Rhodans Begegnung am Berg der Schöpfung erfahren. Er wußte auch von Eirenes und Atlans Abenteuern im Innern des Kosmonukleotids DORIFER. „Ihr dürft euch glücklich schätzen, daß ihr die Kleine dort bei euch habt", fuhr Si kitu fort. „Nur sie hat die Kraft, mich herbeizurufen. Der Geißbock hier ..." dabei versetzte sie Benneker Vling einen freundlichen Knuff in die Seite ... „hat zwar seine ganze Trickkiste ausgeleert, um mich herbeizulocken. Aber gehört habe ich nur auf Eirenes Ruf. Bewahrt sie euch gut. Sie hat mich Kahaba genannt, aber das will ich ihr verzeihen. Ihr Gemüt ist noch das eines Kindes. Wenn sie älter wird, erkennt sie von selbst, daß man Dinge, Ereignisse und Wesen nicht allein nach ihrem Äußeren beurteilt."
„Du ... du hast uns geholfen", begann Reginald Bull stotternd, „die Barriere von Tarkan zu überwinden?"
„Ja, ich habe euch geholfen", antwortete Si kitu. „Ihr seid Narren, daß ihr mit der Strangeness umgeht, als sei sie ein Phänomen, das ihr schon seit Jahrhunderten kennt. Ihr habt keine Ahnung von den Gefahren, die im Hintergrund der Strangeness lauern. Diesmal konnte ich euch helfen, weil euer Interesse auch das
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