1391 - Die Nacht des Pfählers
mir.«
»Was meinst du damit?«
»Es ist das Gefühl, sie nicht mehr bei mir zu haben. Wir waren schon als Menschen eine lange Zeit zusammen. Es gab das Band zwischen uns, aber nun ist es zerrissen, und das macht mir Sorgen.«
»Zerrissen«, wiederholte Mallmann. »Es kann nur bedeuten, dass es deine Freunde nicht mehr gibt.«
»Das denke ich. Man hat sie ausgeschaltet, vernichtet…« Sofia schüttelte sich. »Ich habe von den seltsamen Vorgängen gesprochen. Von Helfern, die gekommen sein könnten, und den Schuss, den ich gehört habe. Man kann sie ausgeschaltet haben. Es ist nicht alles so gelaufen, wie es hätte laufen müssen.«
»Darum kümmern wir uns später«, erklärte Mallmann. »Jetzt ist erst mal der Pfähler wichtig.«
So dachte Sofia Milos auch. Sofort fragte sie: »Soll ich ihn holen? Soll ich den Baum hochklettern und ihn pflücken wie einen überreifen Apfel? Ist das in deinem Sinne?«
Dracula II überlegte noch. Auch Frantisek Marek hatte die Schwarzhaarige gehört. Er hatte seinen Platz nicht verlassen. Nur war es ihm gelungen, sich hinzustellen. Er hielt sich mit der linken Hand an einem krummen Ast fest. Er konnte zwar in die Tiefe schauen, musste dabei allerdings den Kopf drehen, um nicht von Blättern und Zweigen gestört zu werden, die schlaff nach unten hingen.
Er hatte jedes Wort verstanden, und er wusste auch, dass die Gefahr nicht kleiner geworden war. Diese Sofia war ebenfalls eine Blutsaugerin. Sie würde über ihn herfallen. Sie würde scharf auf seinen Lebenssaft sein und ihn voller Gier trinken. Er wusste, wie sich Vampire beim ersten Biss verhielten. Da kannten sie keine Rücksicht, auch nicht sich selbst gegenüber.
Noch war unter ihm keine Entscheidung gefallen. Marek bekam Zeit, einen Fluchtweg zu suchen.
Dunkelheit und Nebel waren auf der einen Seite seine Freunde, auf der anderen jedoch stellten sie auch ein Hindernis dar. Er sah nicht, wohin er kletterte. Es war alles in diese dunklen Tücher gehüllt. Selbst die nahen Äste sah er nur als Schatten. Zudem nahm ihm das Restlaub auch einen Großteil der Sicht..
Er drehte sich zur rechten Seite hin. Dort hatte er einige Äste entdeckt, die leicht nach unten wuchsen. Marek wollte sie wie Reckstangen benutzen und von ihnen in die Tiefe gleiten. Wenn er den Boden erreichte, dann würde er laufen…
Innerlich lachte er auf. Nein, das war nicht möglich. Eine Flucht konnte er sich abschminken. Daran war gar nicht zu denken, denn Mallmann war in jedem Fall schneller.
Marek kannte ihn. Er würde sich die Beute nicht entgehen lassen.
Er war jemand, dem die Dunkelheit entgegenkam. Stören würde ihn hier nur der Nebel.
Der Pfähler schaute wieder nach unten. Auch jetzt sah er, wo sich Mallmann aufhielt. Das leuchtende D auf seiner Stirn konnte einfach nicht übersehen werden.
Der Pfähler sucht nach einer Lücke zwischen den Ästen. Aber sie musste auch groß genug sein, um ihn durchzulassen. Alles andere war einfach nur schlecht.
»Also gut, kletterte hoch!«, erklärte Dracula II.
»Sehr gut. Ich pflücke ihn ab. Und wenn ich ihn habe, werde ich ihn dir vor die Füße werfen.«
»Genau darauf warte ich…«
***
Wir hatten Mareks Haus erreicht, und ich fühlte mich erleichtert, als ich das schwache Licht im Erdgeschoss sah. Alles deutete darauf hin, dass unser Freund zu Hause war.
Der Golf schob sich die letzten Meter durch die wabernde graue Wand, und ich stoppte in einer so kurzen Entfernung, dass ich nur mehr ein paar Schritte zu laufen brauchte, um das Haus zu betreten.
Ich stieg zuerst aus, glitt in den Nebel hinein, ebenso wie Suko und die Blonde. Mein Freund hatte ihr keine Handschellen angelegt.
Er hielt sie nur fest, und das reichte auch.
Mich beschlich trotzdem ein unangenehmes Gefühl. Okay, der Dunst war dicht, aber er verschluckte diese Welt nicht völlig.
Deshalb war ich davon ausgegangen, dass man uns bemerken musste, wenn wir anhielten. Schließlich wartete der Pfähler darauf, dass wir kamen. Er selbst hatte uns schließlich alarmiert.
Und jetzt?
Nichts war zu hören. Diese bedrückende und seltsame Stille blieb bestehen. In ihr schien etwas zu lauern. Etwas Unheimliches, das sich bewusst nicht zeigen wollte.
Auch Suko beschäftigte sich mit diesem Phänomen. Er kam mit der Blonden zu mir und hob die Schultern.
»Das gefällt mir nicht, John.«
»Ja, mir auch nicht.«
»Und was machen wir?«
»Wir gehen ins Haus.«
»Okay, John, das kannst du tun. Ich bleibe draußen. Es könnte sein,
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