1391 - Die Nacht des Pfählers
sie ihre beiden Messer in den Händen. Auf den Klingen fing sich der Widerschein der Lampe und ließ sie rötlich glitzern, als hätten sie einen Bluthauch bekommen.
Frantisek Marek blieb sitzen. Er schrak nicht zusammen, er schrie auch nicht. Er schaute nur nach vorn und hatte dabei den Kopf ein wenig angehoben, um den Eindringling besser anschauen zu können. Unter den dichten Brauen schimmerten die Augen. Die Lippen bildeten einen Strich, und die Falten in seinem Gesicht schienen sich noch tiefer in die Haut gegraben zu haben.
Ein Fremder, der den Pfähler so sah, hätte meinen können, Frantisek Marek wäre sehr müde gewesen. Oder ausgebrannt, mit den Kräften am Ende. Ein Mann, der aufgegeben hatte.
Seine rechte Hand lag auf dem Tisch, die andere berührte das linke Knie. Marek hütete sich, nach dem Pfahl zu greifen, denn Sofia würde immer schneller sein mit ihren verdammten Messern.
»Wir sind allein!«, flüsterte ihm Sofia zu.
Marek nickte. »Ich weiß.«
»Dann weißt du auch, weshalb ich zu dir gekommen bin.«
Der Pfähler konnte nicht anders. Er musste lächeln. »Ja, denn du willst endlich Blut trinken.«
»Genau, das will ich.« Sie schüttelte sich kurz. »Ich bin leer, ich bin so gut wie ausgebrannt, und ich brauche das verdammte Blut.«
»Warum hast du dann deine Messer gezogen?«
Sofia lachte ihn an. »Das will ich dir sagen. Auch ich gehe auf Nummer Sicher. Ich könnte dich durch meine Messer an die Wand nageln, um mich dann in aller Ruhe zu sättigen. Na, wie gefällt dir das?«
»Willst du darauf wirklich eine Antwort haben?«
»Wäre nicht schlecht.«
»Vergiss es.«
Sofia aber zog ihren Mund in die Breite. »Das ist meine Nacht, Marek, nicht deine. Nicht die des Pfählers. Du hast zwar einen mächtigen Vampir vernichten können, aber letztendlich werde ich siegen und im Nachhinein damit auch Dracula II. Hast du das verstanden? Der letzte Sieg gehört uns.«
»Was willst du genau?«
»Dein Blut, das ist alles. Und wenn du dich nicht wehrst, werde ich meine Messer nicht einsetzen.«
Frantisek brachte nur in ihr Gesicht zu schauen, um zu erkennen, dass Sofia unter einem wahnsinnigen Druck stand, und das hatte vor allen Dingen mit ihrer verdammten Blutgier zu tun. Sie brauchte den ersten Biss, sie brauchte den ersten Trank. Sie wollte die Süße des Blutes schmecken, um aus ihm neue Kraft zu ziehen.
»Den Pfahl«, sagte sie. »Er liegt vor dir auf dem Tisch. Das will ich nicht. Er muss weg. Schieb ihn an, stoß ihn vom Tisch, sodass du ihn nicht mehr erreichen kannst!«
Marek spielte mit. Er wollte die Person in Sicherheit wiegen. Nur nichts unternehmen, was auf einen Widerstand hingedeutet hätte.
Mit der Rechten gab er dem Pflock einen Stoß, sodass er zur Tischkante rollte und darüber hinaus rutschte. Er schlug polternd auf dem Boden und blieb dort liegen.
»Gut so«, sagte Sofia zufrieden. »Sehr gut sogar!«
Frantisek Marek blieb ruhig. Er war es gewohnt, in gefährlichen Situationen zu stecken, und fragte: »Wie geht es weiter? Wozu hast du dich entschieden? Messer oder…«
»Das kommt auf dich an. Heb die Hände!«
»Warum?«
»Heb sie an, verdammt!«
»Keine Sorge. Ich werde tun, was du willst.«
»Das ist auch besser so!«
Der Pfähler streckte die Arme gegen die Decke. Er war nicht begeistert darüber, aber es blieb ihm keine andere Wahl, weil er nicht von einer der Klingen getroffen werden wollte.
Sofia war zufrieden. Sie ließ ihre Messer jetzt sinken. Die Spitzen wiesen nach unten und nicht mehr auf Marek. Alles passte in ihr Konzept, aber sie wusste noch nicht, wie sie es beenden sollte.
Ihre Blicke tasteten Marek ab, dann fällte sie ihre Entscheidung.
»Steh auf!«
»Warum?«
»Du sollst aufstehen!«
Ihr rechte Arm zuckte in die Höhe. Der blanke Stahl wischte durch die Luft, doch bevor Sofia das Messer schleudern konnte, sagte Marek: »Schon gut, ich stehe auf. Ich möchte nur wissen, was dann geschehen soll?«
»Keine Sorge, ich werde es dir sagen!«
»Klar!« Der Pfähler grinste schief. »Sei nicht sauer, wenn es nicht so schnell geht. Ich bin ein alter Mann, und so bewegen wie du kann ich mich nicht mehr.«
»Ich weiß.«
Marek lächelte. »Noch eine letzte Frage oder Bitte. Darf ich mich abstützen. Dazu müsste ich die Arme wieder senken. Ich komme so besser hoch.«
»Einer reicht aus.«
»Ja, du hast Recht.« Der Pfähler hatte mit tonloser Stimme gesprochen, und er war noch mehr in sich zusammengesunken. Er wirkte jetzt wie ein
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