1392 - Der Verfolger
Taggert. Ein Berufsmörder oder ein Mietkiller – egal, wie man es nennen will. Ihn hat es erwischt.«
Da er auf meine Bemerkung wartete, enttäuschte ich ihn nicht.
»Nun ja, wenn du mir das sagst, dann kann ich davon ausgehen, dass es kein normaler Mord war.«
»Doch. Oder auch nicht. Es kommt ganz darauf an, wie man es sieht. Ich weiß, dass du in Rumänien gewesen bist und deshalb nicht informiert sein kannst, aber dieser Mord war schon ungewöhnlich. Und es gibt jemand, die darin eine Hauptrolle spielte und jetzt von der Psyche her völlig im Keller ist – und das, obwohl diese Person es gewohnt ist, Hauptrollen zu spielen, und das im Sinne des Wortes.«
»Das hörte sich aber verdammt mysteriös an.«
»Es ist grauenvoll.«
»Gut, dann los.«
Tanner gab mir seinen Bericht. Ich erfuhr einiges. Auch dass der Tote an der Fassade eines Hotels gehangen hatte. Zuerst jedenfalls, dann war er nach unten gestürzt, und die Aufprallwucht hatte seinen Körper zerschmettert.
»Jetzt weiß du das Grobe, John.«
»Richtig. Und wann erzählst du mir die Feinheiten?«
»Du kannst mich fragen.«
»Okay. Mich wundert oder stört, dass dieser Killer außen an der Hotelfassade gehangen hat. Wer oder was hat ihn dort festgehalten?«
»Eine Zunge!«
Beinahe hätte ich gelacht, aber ich schaute in das ernste Gesicht des Kollegen, und das Lachen blieb mir im Hals stecken. Gerade Tanner sagte dies nicht zum Spaß.
»Hast du es selbst gesehen?«, fragte ich ihn.
»Nein. Es wurde mir von der Zeugin geschildert. Von Ellen Gabor, die praktisch im Mittelpunkt des Geschehens stand und sich momentan auf Grund ihres Schocks noch in einer Klinik aufhält.«
»Eine Zunge also«, murmelte ich.
Tanner wiegte den Kopf. »Ja und nein, denn diese Zunge war irgendwie zugleich auch eine Schlange. Ein Ding, dass Miss Gabor als Schlange und Zunge zugleich erkannte – frag mich bloß nicht weiter!«
»Und dieser Frau glaubst du?«
»Ja.«
Ich hielt zunächst mal den Mund und dachte nach. Der Name schwirrte mir durch den Kopf, denn ich war sicher, ihn schon irgendwann mal gehört zu haben.
»Ellen Gabor ist eine Filmschauspielerin«, klärte mich Tanner auf, als er mein grübelndes Gesicht sah, »sogar eine recht bekannte, habe ich mir sagen lassen. Ich habe mir im Laufe der Zeit eine gewisse Menschenkenntnis zugelegt, und ich gehe davon aus, dass die Zeugin nicht gelogen hat. Dieser Killer hing an einer Zunge fest, die zugleich auch an eine Schlange erinnerte, und sein Körper baumelte vor Ellen Gabors Hotelfenster. Sie hat sich dieses Bild lange genug anschauen können, bevor sie ohnmächtig wurde.«
Ich wiederholte mit leiser Stimme beide Namen und erkundigte mich dann, in welch einer Verbindung der Killer zu der Schauspielerin gestanden hatte.
»Sie hat ihn engagiert.«
Das war der nächste Hammer. »Was hat sie?«
»Ja, du hast richtig gehört. Ellen Gabor engagierte den Killer, damit er ein Problem beseitigte.«
»Welches denn?«
»Sie wurde verfolgt, John. Von einem Stalker. Er hat ihr gedroht. Er hat ihr E-Mails geschickt. Er hat sie angerufen. Er wollte sie physisch fertig machen, und sie ging davon aus, dass er sie zum Schluss auch töten wollte.«
»Warum?«
»Wenn ich das wüsste.«
»Hat sie ihn nicht gefragt?«
»Nein, das hat sie nicht. Sie kennt ihn nicht. Sie hat ihn bisher auch nur aus einer gewissen Entfernung zu Gesicht bekommen und kann ihn deshalb nicht beschreiben. Sie kennt nur seine Stimme, und das ist, mit Verlaub gesagt, etwas wenig.«
»Stimmt.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich wundere mich nur darüber, wie schnell jemand, der mit diesem Gewerbe nichts zu tun hat, einen Killer engagieren kann.«
»Da kann ich dir auch nicht weiterhelfen, John, denn ich habe über dieses Thema mit ihr nicht viel gesprochen. Wie schon erwähnt, sie ist psychisch ziemlich angeschlagen. In ihrem Zimmer ist sie zusammengebrochen, und als sie aufwachte, hat sie geschrieen und war fertig. Die Bilder wollten ihr nicht aus dem Kopf.«
Ich fragte: »Wer weiß noch von dem Verhältnis zwischen Ellen Gabor und dem Killer?«
»Nur zwei Menschen. Du und ich. Und ich werde meinen Mund halten. Ich habe sie nicht festnehmen lassen, nachdem ich das Geständnis hörte.« Er beugte sich mir entgegen. »Wir beide kennen uns, John, und ich habe von dir sogar ein wenig gelernt. Als ich die Aussagen vernahm, da hörte ich auf mein Gefühl, und dieses Gefühl sagt mir, dass mehr dahinter steckt, als man anfänglich annehmen
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