1392 - Der Verfolger
und eine Frau.
Es waren Ellen Gabor und die Gestalt, die sie den Stalker nannte.
Und der befand sich nun leider am Ziel seiner Wünsche…
***
»Bist du aufgeregt?«, fragte Glenda.
Suko blieb stehen. »Wieso?«
»Weil du immer hin- und herläufst wie ein Mensch, der irgendwas erwartet und es einfach nicht mehr aushält. So kenne ich dich nicht.«
Suko wiegte den Kopf. »So ähnlich kann man es sehen.«
»Und was ist dein Problem?« Glenda streckte die Beine aus, winkelte die Arme an und vollführte in Höhe ihres Kopfes einige gymnastische Bewegungen, um irgendwelche Spannungen loszuwerden.
»Es heißt John.«
Sie ließ die Arme wieder sinken. »Wieso?«
»Er macht mir Sorgen.«
»Warum das? Du weißt doch, wo er ist. Er steckt in dieser Klinik, um Tanner einen Gefallen zu tun. Er hat angerufen und sich ganz brav abgemeldet. Alles paletti.«
»Soweit schon.«
»Und wo liegt das Problem?«
»Er ist nicht zu erreichen.«
Diese schlichte Antwort sorgte auch bei Glenda für ein leichtes Erstaunen. »Du meist, dass du ihn über sein Handy nicht bekommst?«
»Genau das.«
»Dann hat er es abgestellt.«
»Könnte sein.«
»Und du glaubst es nicht?«
»Ja, so ist es. Außerdem ist er schon ziemlich lange weg.« Suko verzog die Lippen. »Ob er sich so lange mit dieser Frau unterhält, wage ich zu bezweifeln.«
»Willst du zur Klinik fahren?«
»Würde ich am liebsten. Hier herrscht ja zurzeit Novemberruhe. Der Schwarze Tod ist nicht mehr, Dracula II leckt irgendwo seine Wunden… Nur dass John sich nicht meldet, finde ich alles andere als gut.«
»Du könntest zuvor mit Tanner reden.«
»Der hat den Fall doch an John abgegeben. Nein, ich schaue mir die Klinik mal aus der Nähe an.«
»Kennst du denn den Namen?«
Suko überlegte einen Moment. Dann hatte er ihn und schrieb ihn auf einen Zettel, weil er so lang war.
Glenda runzelte die Stirn. »Komischer Name – Gesundbrunnen für die Psyche. Das ist doch…« Sie winkte ab. »Ach, darüber kann man nur lachen. Aber bevor du fährst, Suko, könntest du in der Klinik anrufen. Veilleicht kriegst du so John an die Strippe.«
Suko nickte. »Okay, das wäre auch eine Möglichkeit.«
»Ich besorge dir die Nummer.«
»Danke.«
Suko hatte noch eine mit Tee gefüllte Tasse im Büro stehen. Er ging hin und leerte sie, auch wenn das Getränk kalt war.
Als er sein Büro wieder verließ, saß Glenda an ihrem Schreibtisch und schaute dem Inspektor starr entgegen.
»Was ist los?«
»Ich denke«, sagte sie mit leiser Stimme, »dass du dich so schnell wie möglich auf den Weg machen solltest. Die Klinik, so habe ich erfahren, hat keinen Anschluss.«
Sie sagte noch etwas, aber das hörte Suko nicht mehr. Da war er schon aus dem Büro gestürmt…
***
Hinter der Scheibe sah ich das schockierende Opferbild, das in der Kunst und auf den Plakaten in der einen oder anderen Form immer mal wieder gezeigt wird.
Das hilflose Geschöpf – Ellen Gabor – und das Böse, die Bestie, das Tier – eben dieser Stalker, der die schöne Ellen so lange verfolgt hatte.
Jetzt lag sie nackt auf der Liege, und eine Schlange wand sich um ihren Körper. Der Stalker stand neben der liegenden Frau, und er war wirklich eine diabolische Gestalt.
Ein gewisses Licht umflorte auch ihn. Es floss von oben her auf beide herab. Besonders das Gesicht des Stalkers war gut zu erkennen. Er hatte sich gebückt, doch er schaute über den nackten Körper seines Opfers hinweg, der auch weiterhin von der dicken Schlange umringelt wurde. Sie hatte sich bis zum Hals vorgeschoben und erinnerte eher an einen fetten Aal, was auch an ihrer dunkelgrauen, beinahe schon schwarzen Haut lag, die an einigen Stellen jedoch mit roten Flecken bedeckt war.
Warum sich beide auf diese Art und Weise präsentierten, darüber konnte ich nur spekulieren. Vielleicht wollte mir der Verfolger beweisen, wer hier der große Sieger war.
Ellen Gabor hatte den Kopf gedreht. So konnte sie direkt gegen die Scheibe schauen, und da sie nicht blind war, sah sie mich auch.
Ich blieb ruhig stehen. Dabei suchte ich den Blick des Namenlosen. Über den nackten Frauenkörper hinweg starrte auch er gegen die Scheibe und auf mich.
Ich hatte mit ihm noch kein Wort gesprochen, aber ich wusste genau, dass er ein Feind war. So etwas wie ein Urfeind, denn in ihm steckte etwas Höllisches. Die Szene hatte zudem etwas Archaisches: der Mann, die Frau und die Schlange. Wie im Alten Testament, als wolle der Stalker Gott persönlich
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