1393 - Werwolf-Nacht
fischen?«
»Klar.«
»Und? Was fangt ihr in der trüben Brühe?«
»Nichts, was man essen könnte, und wir sind nicht eben anspruchsvoll, John.«
»Das weiß ich.«
»Weshalb bist du denn unterwegs? Wartest du darauf, dass du das Heulen der Wölfe hörst?«
»Genau das. Es wäre mir am liebsten.«
Er lachte mich an. »Ich vergaß, dass du Polizist bist, und als solcher braucht man immer Beweise.«
»Genau das ist es.«
»Schade, dass ich sie dir nicht liefern kann. Noch nicht«, schränkte er ein. Er tippte mir gegen die Brust. »Ich bin sicher, dass du das Heulen bald hören wirst, und dann wirst du nicht mal daran denken, dass es Hunde sein könnten.«
»Meinst du?«
»Ich schwöre es.«
»Dann lass ich mich mal überraschen.« Ich deutete in die Runde.
»Wie lange wollt ihr noch hier draußen campieren? Etwa den langen Winter über?«
»Nein, wenn es wieder Frost gibt, hauen wir ab.«
»Nach London?«
»Wohin sonst? Man kann noch so sehr auf die Stadt fluchen, aber verhungern und erfrieren werden wir dort nicht. Da weiß jeder von uns, wo es einen warmen Platz gibt. Du glaubst gar nicht, John, wie erfinderisch man wird, wenn man auf der Platte leben muss.«
»Ja, das kann ich mir denken«, sagte ich und nickte. »Aber ist das ein Leben, Benny?«
Er hob die Schultern.
»Für immer? Bis ans Ende deines Lebens?«
Jetzt presste er die Lippen zusammen.
»Überleg es dir.«
»Scheiße!«, flüsterte er nach einer Weile. »Was soll ich denn machen, verdammt? Ich habe einen Fehler begangen. Ich bin vorbestraft. Man hat mich aus dem Polizeidienst entlassen. Er war mein Ein und Alles. Damals ging es mir schlecht. Ich brauchte Geld, und da hab ich es einmal mit dem Dealen versucht. Jemand hat mich verraten. Jemand hat sich gefreut, dass dem Bullen die Kehle zugedrückt wird. Wer es getan hat, weiß ich bis heute nicht.«
»Wie lange ist es her?«
»Drei Jahre.«
»Und du hast nie an einen neuen Job gedacht? Das kann ich nicht glauben, Benny.«
»Doch, das habe ich. Verdammt oft sogar. Aber ich habe es nicht gepackt. Die Mauer ist einfach zu hoch, verstehst du? Ich bin nicht über sie hinweg gekommen. Es war einfach nicht möglich für mich.«
»War es die Mauer in deinem Kopf?«
Er nickte. »Leider. Ich habe mich geschämt. Dass es schlimm ist, weiß ich ja, aber es stimmt. Ich habe mich geschämt. Ich habe immer gedacht, dass man es mir an der Stirn ansieht, was hinter mir liegt. Da kannst du lachen oder nicht, aber es ist so.«
»Ich glaube dir. Und du kannst auch sagen, dass ich aus meiner Position gut reden habe, aber du musst jetzt etwas tun, Benny, und nicht weiterhin nur abwarten. Du wirst später nicht mehr die Kraft haben, etwas zu verändern und dein Leben wieder zu kippen.«
»Vielleicht will ich das gar nicht.«
»Schwer zu glauben, ehrlich. Als Polizist wird man dich nicht mehr einstellen, aber du mit deiner Erfahrung wirst doch wohl einen Job bekommen. Es gibt immer mehr private Sicherheitsunternehmen, die Leute wie dich gern einstellen.«
»Mit meiner Vorstrafe?«, fragte er lachend.
»Klar. Du glaubst gar nicht, was sich da alles für Typen breit machen. Das sind keine Chorknaben. Ich an deiner Stelle würde es versuchen. Möglicherweise kann ich dir sogar einen Tipp geben. Ich müsste mich nur mal umhören. Wenn es hart auf hart kommt, würde ich sogar für dich bürgen. Das ist ein Versprechen.«
Benny zog die Nase hoch. »Danke«, flüsterte er ein wenig erstickt.
»Es tut gut, wenn man so etwas gesagt bekommt. Aber zuvor haben wir andere Probleme.«
»Richtig.«
Sir Benny deutete zurück. »Jeder von uns hat Angst. Meine Kumpel haben schon alle fliehen wollen. Ich konnte sie noch zurückhalten, weil ich mich an dich erinnert habe.«
»Das ist schon okay gewesen. Auch wenn du dich getäuscht haben solltest, hat sich unser Zusammentreffen schon gelohnt. Und noch etwas. Du lebst, dieser Mafioso damals aber ist vernichtet worden.«
»Vernichtet?«
»Ja, so muss man es wohl nennen, nachdem er zu einem Vampir gemacht wurde.«
Der ehemalige Kollege duckte sich. »He, da habe ich es ja noch gut gehabt.«
»Das kann man so sehen.«
In den folgenden Sekunden hing jeder seinen Gedanken nach. Ich hoffte ja, dass sich Benny meine Worte zu Herzen genommen hatte und zumindest über eine Veränderung seines Lebens nachdachte. Es wäre wirklich toll gewesen. Aber ich wusste auch, wie schwer es für ihn sein würde, und ich wollte ihn nicht mehr danach fragen.
»Da kommt jemand,
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