1394 - Die Rachehexe
geschärft und auch sensibilisiert worden, doch sein Gehirn schwamm in einem Meer von Angst. Er atmete längst nicht mehr normal, sondern nur noch japsend, und dann schaute er zu, wie Cornetta Schibone den Verschluss öffnete.
Sie ließ sich dabei Zeit. Das Grinsen in ihrem Gesicht verstärkte sich und gab ihm etwas Puppenhaftes. Hinter den Gläsern der Brille leuchteten die Augen. Auch die Lippen bewegten sich, sodass flüsternde Worte aus dem Mund drangen.
Quint hörte sie. Verstand sie aber nicht. Oder begriff sie nicht.
Cornetta sprach von einer großen Dankbarkeit, die sie einer bestimmten Person schuldig war, doch das alles interessierte Quint nicht. Er wartete darauf, dass dieses Weib ihr Gefäß über ihm leerte.
Sie tat es nicht, denn sie wartete.
Zuerst glaubte Quint, dass sie diese Haltung bewusst eingenommen hatte. Sie kam ihm theaterhaft steif vor, und sie hatte sich auch so gedreht, dass sie zum offenen Eingang schaute, der durch keine Kordel mehr versperrt war.
Warum tat sie das? Wollte sie seine Qualen noch mehr in die Länge ziehen? Nein, die Haltung hatte schon einen Grund. Sie musste etwas gehört haben. Ein Geräusch, eine halblaute Botschaft hier im Turm, die Alan entgangen war.
Was hatte das zu bedeuten? Gab es so etwas wie eine Hoffnung?
Daran konnte er nicht glauben.
Sie ging auf den Eingang zu und blieb praktisch auf der Schwelle stehen.
Nach wenigen Sekunden fuhr sie herum. Ihr Gesicht hatte sich verzerrt. Sie musste sehr wütend sein.
Es war etwas passiert, das ihr nicht passte. Alan Quint schöpfte wieder Hoffnung. Wenn er mehr gewusst hätte, dann hätte er geschrieen oder sich zumindest bemüht.
So aber drang nicht mehr als ein Krächzen aus seinem Mund, das Cornetta Schibone auch nicht weiter störte, denn sie trat aus der Folterkammer. Quint wünschte sich, dass sie verschwand. Den Gefallen tat sie ihm leider nicht. Sehr schnell kehrte sie wieder zurück.
»Da war jemand!«, hauchte sie. »Da ist noch immer jemand. Eine Etage unter uns…«
»Dann gib auf!«, würgte der Mann hervor.
Sie lachte. Aber sie lachte nicht laut. Mit einem langen Gleitschritt hatte sie die Streckbank erreicht. Aus der Bewegung hervor kippte sie den Kanister nach vorn.
Das Benzin klatschte auf den Körper. Es war kein Wasser, es war auch nicht kalt. Es fühlte sich sogar trocken an, und Cornetta leerte den kleinen Kanister bis auf den letzten Tropfen.
Dann griff sie in die Tasche.
Eine Schachtel mit langen Zündhölzern lag plötzlich in ihrer Hand. Hinter den Gläsern der Brille hatten die Augen einen irren Blick bekommen. Sie riss das Zündholz über die Reibfläche. Plötzlich war die Flamme da, und sie blieb auch bestehen, als der lange Span in Richtung der mit Benzin getränkten Hose fiel.
»Brennen sollst du! Brennen…«
***
Erst jetzt merkten wir, wie lang und schmal dieses verdammte Teilstück der Treppe war. Jane und ich konnten nicht Seite an Seite laufen. Ich war schneller gewesen als Jane, und deshalb lief ich auch eine oder zwei Stufen vor ihr.
Dieses »Brennen sollst du!« peitschte mir noch immer durch den Kopf. Es war eine so verdammt grausame Botschaft gewesen, aber zugleich ein Antrieb für mich.
Die Stufen waren sehr steil. Ich musste schon verdammt Acht geben, nicht zu stolpern. Es war eine kleine Hölle, die wir durchrannten, und wir hörten plötzlich einen irren Schrei, während wir zugleich vor uns auf den Treppenstufen ein flackerndes Licht sahen, das sich auf den Stufen ausgebreitet hatte.
Hier konnten wir nur etwas retten, wenn wir großes Glück hatten.
Wir wussten auch, dass ein Mann brannte, denn er hatte den schrillen Schrei ausgestoßen.
Ich hielt beim Laufen das Geländer fest und stieß mich mit der anderen Hand noch von der Wand ab.
Dann war ich da!
Ich stürmte in einen Raum hinein, und es gab auch hier keine Tür, die mich aufhielt. Meine Blicke erwischten die tanzenden Flammen, die auf dem Körper eines Mannes brannten, den eine Streckbank zur Bewegungsunfähigkeit verdammt hatte.
Nur dieses Bild sah ich, nur dieses eine verdammte Bild. Was ich tat, das befahl mir kaum mein Gehirn. Ich handelte reflexartig und zerrte mir die Jacke vom Körper.
Dann warf ich mich nach vorn. Ich fiel über den Körper auf der Streckbank und versuchte die Flammen zu löschen. Ich presste mich auf den halb nackten Mann, ich schlug nach ihm ich hörte ihn schreien und wimmern im einem. Ich sah die Flammen, ich spürte den Rauch, der gegen mein Gesicht glitt, und
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