1394 - Die Rachehexe
kämpfte einfach weiter.
Es war egal, wie sehr meine Schläge auch schmerzten. Ich wollte auf keinen Fall, dass der Mann verbrannte.
Die Flammen verstickten unter der Jacke. Darüber sah ich ein Männergesicht, das wie eingefroren wirkte. Der Mund stand offen.
Aber ich sah keine Flammen mehr. Deshalb zog ich auch die Jacke zurück. Der Körper hatte einige Brandflecken abbekommen, doch lebensgefährlich waren sie nicht.
In der nächsten Sekunde vernahm ich Janes wilden Fluch…
***
Fast zur gleichen Zeit wie ihr Freund erreichte auch Jane Collins das Turmzimmer. Jetzt war sie allerdings froh, hinter dem Geisterjäger geblieben zu sein, denn dicht an seiner Seite hätte sie ihn in seinen Aktionen womöglich nur behindert.
Mit einem Blick erfasste sie das Geschehen. John stürmte nach vorn. Er riss dabei seine Jacke vom Körper und stürzte auf die brennenden Gestalt zu, die auf einem so ungewöhnlichen Möbelstück lag.
Jane hätte gern mitgeholfen, die Flammen zu löschen. Sie fürchtete jedoch, John nur zu stören. Außerdem wurde sie durch eine Bewegung im Hintergrund abgelenkt, die nicht durch den Widerschein der Flammen erzeugt wurde. Es war ein Mensch, und Jane erkannte, dass es sich um eine Frau handelte. Sogar die Brille im Gesicht fiel ihr auf, und die ihr unbekannte Frau hatte sich eine Waffe geschnappt. Die sah aus wie eine riesige Gabel, deren Zinken zwei scharfe Spitzen besaßen.
Jane hörte eine schrille Stimme. John kämpfte noch immer gegen die Flammen. An ihm rannte die Frau vorbei und hatte jetzt ihr Ziel gefunden. Jane sah das verzerrte Gesicht, aber auch die beiden Zinken der Waffe, die Jane durchbohren sollten. Die Unbekannte drehte die ›Gabel‹ sogar zwischen den Händen, um damit noch größere Wunden reißen zu können.
Die Detektivin hätte die Angreiferin mit einem Schuss stoppen können, aber sie kam nicht mehr dazu, ihre Waffe zu ziehen. Es ging einfach alles zu schnell.
Sie schaffte es mit einem Sprung zur Seite, und die Waffe verfehlte sie. Jane prallte gegen die Wand, und sie rechnete mit einem zweiten Angriff, aber den sparte sich die fremde Frau. Mit der ›Gabel‹ bewaffnet sprang sie über die Schwelle hinweg und war wie ein Spuk im düsteren Treppenhaus verschwunden.
Jane hörte sie die Stufen hinabeilen. Sie vernahm auch das Klirren, wenn die Zinken gegen das harte Mauerwerk stießen oder gegen die Treppe. Aber sie hörte auch, dass dieses Geräusch immer leiser wurde, und genau das gefiel ihr nicht.
Sie wollte die Frau!
Ein schneller Blick zu John Sinclair hin machte ihr klar, dass er allein zurecht kam. Sekunden später war sie bereits auf dem Weg.
Sie stürzte sich beinahe in das dunkle Treppenhaus und hätte fast die erste Stufe übersehen. Sie kippte zur Seite. Im letzten Augenblick schaffte sie es, sich am Geländer festzuhalten.
Danach jagte sie hinter der Frau her, als wollte sie den Rekord im Treppenlaufen brechen…
***
Als auch die letzte Flamme gelöscht war, strich ich mit meinen Händen sanft über den fast nackten Körper hinweg. Wenn ich dabei den Brandstellen zu nahe kam, zuckte der Mann zusammen, denn da waren die Schmerzen schlimmer. Aber er hatte es geschafft, und es war mir gelungen, das Feuer zu löschen, bevor es noch das Gesicht des Gefangenen erreichen konnte, um es zusammen mit den Haaren zu verbrennen.
Den Kampf gegen das Feuer hatte ich gewonnen. Aber noch war der Mann nicht frei. Ich musste mich um die Hebelräder an beiden Enden der Streckbank kümmern, um die Spannung zu lockern.
Es ging nicht glatt, sondern intervallweise. Jeweils nach einer kurzen Drehung hörte ich das Klacken, wenn das Rad wieder einrastete. Und so ging es weiter, bis sich die Arme entspannen konnten. Ich musste sie nur noch von den Fesseln lösen, bevor ich mich um die Beine kümmerte.
Niemand störte mich. Aber auch Jane war nicht mehr zu sehen.
Als ich die straffe Fesselung an den Füßen löste, hörte ich das leise Stöhnen. Der Mann kam endlich wieder zu sich, und er sah, was mit ihm geschah. Nach wie vor umwehte uns der Benzingeruch. Er ließ sich ertragen, wichtig war, dass nichts mehr brannte und dass der Mann nicht zu schwer verletzt war.
Er blieb auf der Streckbank liegen. Von oben her schaute ich in sein Gesicht, in dem mir besonders die Augen auffielen, denn in ihnen lag der Ausdruck der reinen Angst.
»Es ist alles klar, Mister«, beruhigte ich ihn. »Ich habe die Flammen löschen können.«
Er wollte etwas sagen, seine Lippen zuckten
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