1395 - Das Vermächtnis des Vaters
an.«
»Wie nett.«
»Kann sein, dass es nett wird. Auch das liegt nicht unbedingt in meiner Hand.«
»Gut. Was soll das alles? Warum werden wir hier mit Waffen bedroht? Was ist das Motiv? Wer sind Sie?«
»Sehr viele Fragen, John. Ich weiß nicht, ob es dir zusteht, hier die Fragen zu stellen. Du solltest etwas demütiger sein. Das rate ich dir, denn meine beiden Freunde Jorge und Abel sind leicht reizbar.«
»Ich kenne euch nicht.«
»Irrtum, du weißt jetzt unsere Namen.«
»Mit denen kann ich nichts anfangen.«
»Stimmt«, gab Lucy zu. »Es ist vorläufig auch nicht wichtig, dass du sie voll und ganz kennst. Du bist für uns wichtig, John, du allein, und das wirst du noch erkennen.«
»Sorry, aber ich weiß nichts. Ich will nur wieder zurück nach London. Und Miss Collins auch.«
»Das haben wir uns schon gedacht.«
»Dann ist ja alles klar.«
Lucy schüttelte den Kopf. »Das wäre sicherlich schön, wenn wir zusammen nach London fahren. Aber das wird nicht gehen, denn wir werden unterwegs aussteigen.«
»Aha. Und wo?«
»Wie ich schon sagte: unterwegs. Ich habe nicht von einem Bahnhof gesprochen. Kapiert?«
Ja, das hatte ich. Es war nicht allzu schwer. Unterwegs sollte heißen: auf freier Strecke. Und wahrscheinlich war dort schon alles für den weiteren Transport vorbereitet.
Ich nickte. »Verstanden.«
»Wunderbar.«
»Aber das war nicht alles, denke ich. Wie soll es weitergehen, wenn wir ausgestiegen sind?«
»Das, John, soll eine Überraschung für dich sein. Ich kann dir allerdings versichern, dass du dich bei uns in guter Obhut befindest.«
Hinter meiner Stirn jagten sich die Gedanken. Was wollten die drei von mir? Wie sahen ihre weiteren Pläne aus?
Natürlich dachte ich an die geheimnisvolle Lanze, aber ich sprach dieses Thema nicht an. Sie sollten selbst darauf kommen, und dann würde ich schon meine Fragen stellen.
Lucy war die Anführerin. Sie sprach auch weiter. »Du solltest dich entspannen, John. Zumindest für die nächsten Minuten. Deine Reise wird noch lang werden.«
»Das Ziel darf ich nicht erfahren?«
»Nein. Entspanne dich nur. Das ist wirklich am besten. Alles andere kommt später.«
Entspannen sollte ich! Nur mühsam hielt ich mein Lachen zurück.
In diesem Abteil gab es keine Entspannung für mich. Dass ich einer Mörderclique in die Hände gefallen war, davon ging ich nicht unbedingt aus. Sie brauchten mich. Sie würden mich so schnell nicht erschießen. Aber ich war nicht allein. Da gab es noch Jane Collins, und von ihr war seit meinem letzten Betreten des Abteils noch nicht gesprochen worden. Das bereitete mir einige Probleme, an denen ich zu knacken hatte. Jane war in ihren Augen so etwas wie Beiwerk. Sie hatte nichts mit einem Sinclair zu tun – zumindest nicht verwandtschaftlich, und deshalb war sie für die Pläne der anderen Seite auch nicht so wichtig.
Wer nicht wichtig ist, der zählte zu den unwichtigen Personen.
Und unwichtige Personen werden aussortiert…
So machte ich mir Gedanken um Jane, die stumm auf ihrem Platz saß.
Bei ihr bewegten sich nur die Augen. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf den Wangen, aber kein Zittern durchlief ihren Körper.
Sie hatte sich perfekt in der Gewalt, denn sie war es gewohnt, in gefährliche Situationen hineinzugeraten.
Wir schwiegen und fixierten und belauerten uns. Jane und ich warteten auf eine Chance, aus dieser Lage herauszukommen. Die gab es leider nicht, denn nach wie vor wurden wir von zwei Waffen bedroht.
Wer von den Männern Jorge war und wer Abel war, das hatte ich schon herausgefunden. Jorge hatte seinen Platz neben Jane Collins gefunden, während Abel uns gegenüber saß.
Beide hätte man für Brüder halten können. Möglicherweise waren sie das auch. Da stimmte die Haarfarbe, da stimmte der Gesichtsausdruck, die kalten Augen, die blasse dünne Haut und die kantigen wie aus Holz geschnitzten Nasen. Das passte zusammen. Hinzu kamen noch die recht großen, eng am Kopf liegenden Ohren.
Ihre Haare hatten sie nach hinten gekämmt. Ein Scheitel war nicht vorhanden, und es standen auch kein Haare von der glatten Fläche ab. Wer diese Männer im Griff hatte, der musste schon verdammt gut sein, und so konnten wir uns vorstellen, mit welch einer Frau wir es zu tun hatten. Die war hart wie Knochen.
Mir gefiel das Schweigen nicht, und deshalb fragte ich: »Warum bin ich eigentlich so interessant für Sie?«
Lucy hob die Schultern an. »Das ist ganz einfach. Du bist ein Sinclair.«
»Und?«
»Der
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