1399 - Ich, der Henker
niemand, der scherzte. Sie war brutal ehrlich.
Okay, Mallmann lag mir auf der Seele. Vor allem dachte ich an damals, als er über Wochen meine Mutter in seiner Gewalt hatte, um von mir den Blutstein zu erpressen. Er war so etwas wie ein langer Nagel zu meinem Sarg, aber sollte ich ihn töten? Und warum in der Vampirwelt? Und warum tat Assunga das nicht selbst?
Genau danach erkundigte ich mich.
»Er ist ein Feind«, sagte sie. »Er ist wie ein Pestgeschwür. Ich habe ihn mal versteckt, ich rettete ihm das Leben vor dem Schwarzen Tod, doch er zeigte sich wenig dankbar. Ja, ich sollte ihn eigentlich selbst vernichten, doch du hast die älteren Rechte, Sinclair. Ich gebe dir die Chance, ihn für immer aus deinem Leben zu streichen, und du wirst dich nicht dagegen wehren können. In diesem Fall kannst du dir dein Schicksal nicht aussuchen, Geisterjäger. Das bestimme ich jetzt!«
Ich kannte Assungas Macht. Ich wusste, dass sie nicht nachgab, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Sie würde nicht ohne mich verschwinden.
Ich schaute in ihre kalten Augen.
»Gut«, sagte ich, »dann müssen wir es eben so machen. Aber wäre Justine Cavallo nicht eine Lösung?«
»Sie ist dabei, das weißt du.«
»Und sie steht auf deiner Seite?«
»Ja.«
Ich lachte auf. »Sie hat Mallmann schon mal gerettet, als du ihn fast vernichtet hättest!«
»Ich habe ihr verziehen!«
Wieder musste ich lachen, dann schüttelte ich den Kopf. »Ob Mallmann oder sie – beide sind Blutsauger und verfolgen die gleichen Ziele. Du machst einen verdammten Denkfehler, wenn du glaubst, Justine Cavallo auf deiner Seite zu haben.«
»Nein, das ist nicht so. Sie kannst du mit Mallmann nicht vergleichen. Justine interessiert die Vampirwelt nicht. Sie fühlt sich woanders wohler, sonst würde sie nicht bei Jane Collins leben. Aber bei Mallmann ist es anders, und das weißt du, Sinclair.«
»Kann sein.«
»Ich werde dich jetzt mitnehmen, Sinclair. Die Vampirwelt wartet auf dich. Ich bin nicht Justine Cavallo. Sie hast du noch umgehen können, mich allerdings nicht. Ich gebe dir eine einmalige Gelegenheit, eine einmalige Chance. Du hast es in der Hand, einen Dracula II zum Teufel zu schicken.«
»Sonst noch was?«
»Ja, natürlich, Sinclair. Ich weiß, dass es sehr schwer sein wird, Mallmann zu vernichten, und deshalb solltest du eine bestimmte Waffe mit auf die Reise nehmen!«
»Ich trage mein Kreuz bei mir.«
»Davon rede ich nicht. Es liegt schon etwas zurück, aber ich weiß, dass du ein Schwert in deinen Besitz genommen hast. Das Schwert des Salomo. Es gehört dir. Du hast es zu wenig eingesetzt. Gegen den Schwarzen Tod konnte es nicht helfen. Aber gegen Mallmann…«
Alles andere ließ sie unausgesprochen.
Ich stand wie vom Blitz getroffen.
Klar, ich besaß dieses Schwert. Es war mir zu treuen Händen überlassen worden.
Assunga ließ mir Zeit, die Überraschung zu verdauen. Sie zeigte dabei ein so breites Lächeln, wie man es nur bei Siegern sieht. Gedanken über Mallmanns endgültige Vernichtung hatte ich mir natürlich oft genug gemacht. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich mich zu sehr auf das Kreuz konzentriert hatte. Das Schwert des Salomo war mir nicht in den Sinn gekommen, und nun sollte ich es einsetzen?
Dagegen würde auch der Blutstein nicht helfen!
Ich musste Dracula II den Kopf vom Körper schlagen, um dann selbst an den Blutstein zu gelangen.
Bei diesem Gedanken rann mir ein Schauer über den Körper, der sich verfestigte, als die Schattenhexe ein Lachen ausstieß.
»Ich denke, dass ich dir Zeit genug gegeben habe, damit du dich damit abfinden kannst, Sinclair.«
»Schon«, murmelte ich.
»Dann geh und hole dein Schwert!«
Es war nicht weit. Die Waffe bewahrte ich in einem schmalen Schrank auf, den ich öffnete. Die Klinge steckte in einer Scheide, die an einem Gehänge befestigt war. Das konnte ich mir umbinden und so auch mit dieser Waffe gehen.
Ich tat es.
Die Klinge schaute ich mir nicht an, obwohl mir für einen Moment der Gedanke durch den Kopf zuckte, Assunga damit anzugreifen. Ich ließ ihn wieder fallen, denn es brachte nichts ein. Sie würde schneller sein als ich. Sie brauchte den Mantel einfach nur zu schließen und war verschwunden.
Ich drehte mich wieder um, als das Schwert an meiner linken Seite hing. Assunga schaute mich an. Sie war recht angetan, und wieder sah ich ihr Lächeln.
»So wirst du es schaffen, Geisterjäger. Du wirst dir einen Traum erfüllen.«
»Vielleicht.«
»Du
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