14 - Geheimagent Lennet und der Scheintote
wunderbare Stadt. Die aufregendste, die ich je gesehen habe!«
»Wieviel Menschen leben dort unten, was glaubst du?«
»Wieviel Einwohner Rio hat? Keine Ahnung.«
»Vier Millionen.«
»Sag bloß! Das ist ja riesig.«
»Wirklich nicht schlecht, vier Millionen Einwohner, davon fast die Hälfte Jugendliche und ein junger Sänger, der sich weigert, bei einer Schauergeschichte mitzuspielen, weil ihn seine Freundin bestrafen könnte.«
»Was sagst du da?«
»Daß diese Stadt, wenn du dich weigerst, vom Erdboden verschwinden wird. Mitsamt allen Einwohnern.«
Julio wurde blaß. »Das ist doch nicht dein Ernst…«
»Das ist leider mein vollkommener Ernst, Julio. Das Leben dieser Stadt liegt in deiner Hand. Du brauchst jetzt nichts zu sagen. Gib mir heute abend, nach deinem Auftritt, die Antwort.«
Und Lennet ließ Julio mit der entsetzlichen Nachricht allein an der Brüstung zurück.
Der Morgen endete mit einer Besichtigung des Theaters, dann aßen sie im Hotel zu Mittag. Der junge Geheimagent wollte gerade in die Stadt gehen, als das Telefon klingelte.
»Monsieur Pichenet?« ertönte eine äußerst gepflegte Männerstimme.
»Am Apparat«, bestätigte Lennet.
»Hier Gaston de Pontamadour, Botschaftsattache, beauftragt mit der logistischen Unterstützung Ihrer… wie soll ich sagen…«
Ich hoffe, er sagt weder Auftrag noch Operation, dachte Lennet. Man weiß nie, wer mithört. »… Ihrer Unternehmung.«
»Nach meinen Anweisungen sollte ich mit Ihnen Verbindung aufnehmen«, antwortete Lennet.
Pontamadour begann jeden seiner Sätze mit einem kleinen Seufzer. »Ja, nach meinen ebenfalls. Aber der Grund meines Anrufes ist ein Paket, das soeben für Sie bei uns eingetroffen ist. Über das diplomatische Gepäck.«
»Ein Paket?«
»Wir möchten gern wissen, was wir hier in der Botschaft damit anfangen sollen.«
»Was für eine Art von Paket ist es denn, Monsieur?«
»Es ist ungefähr zwei Meter lang und fünfzig Zentimeter hoch, an einem Ende breiter als am anderen, ziemlich schwer, klingt aber hohl…«
»Ich verstehe, ich verstehe«, unterbrach Lennet hastig.
»Würden Sie das bitte für mich aufbewahren, bis ich es abholen kann? Am besten bringen Sie es an einen Platz, wo keiner drüberstolpert, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Aber sicher. Ihre Wünsche sind mir Befehl. Da ich nun überhaupt nicht weiß, worum es sich handelt, erlauben Sie mir eine Frage? Ist es empfehlenswert, es… wie soll ich mich ausdrücken… es kühl zu stellen?« Lennet überlegte eine Sekunde.
»Noch nicht«, sagte er grimmig und hängte auf.
Julio war zwar Erfolge gewöhnt, doch übertraf die Begeisterung, die die cariocas, die Einwohner von Rio, ihm entgegenbrachten, alle seine Erwartungen.
Es genügte, daß er, schmächtig und bescheiden, auf die Bühne kam, und die Begeisterung kannte keine Grenzen mehr. Als endlich der Vorhang auf der blumenübersäten Bühne fiel und Julio den Raum hinter den Kulissen betrat, wo Lennet auf ihn wartete, rannen Tränen über die Wangen des Sängers. Er lief auf den Geheimagenten zu, faßte ihn äh beiden Armen und drückte ihn.
»Du kannst auf mich zählen«, murmelte er ergriffen. Sein Mund zitterte, und man konnte kaum verstehen, was er sagte.
»Bravo, Julio«, antwortete der Geheimagent. »Ich habe es von dir eigentlich nicht anders erwartet!«
Der anschließende Empfang fand im Maison de France statt.
Ausgesuchtes Büffet, Musik, ein Publikum aus Jugendlichen, Regierungsleuten, Musikverlegern, Intellektuellen, Journalisten, Diplomaten.
Julio war natürlich strahlender Mittelpunkt. Eine Hand legte sich auf Lennets Arm, und nach einem kleinen Seufzer murmelte eine feine Stimme: »Monsieur Pichenet, nehme ich an?« Sie gehörte zu einem großen, kräftigen jungen Mann mit blonden Haaren und einer Brille mit Goldrand.
»Gaston de Pontamadour. Wir haben bereits miteinander telefoniert. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Darf ich mir erlauben, einen Augenblick mit Ihnen zu sprechen?«
»Sie können es jederzeit versuchen«, sagte Lennet, den der affektierte Ton des anderen aufregte. Trotzdem war er angenehm überrascht von dem kräftigen Händedruck des jungen Diplomaten.
»Ich möchte Sie um eine Gefälligkeit bitten, Monsieur Pichenet. Wissen Sie, nichts ist eintöniger als das Leben eines Botschaftsattaches. Strand morgens, Strand nachmittags, abends die Dinners und Bars… Man wird allmählich ein richtiger surfista.«
»Mein herzliches
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