Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
holen den Engländer mit seinen Werkzeugen herbei.“
    „Und bis dahin halten die Geier ihre Mahlzeit!“
    „So reite ich allein, und du bleibst zurück.“
    „Du wirst dann den Räubern in die Hände fallen. Sie haben ihren nächsten Zweck erreicht, und ich vermute, daß sie nach dem Birs Nimrud gegangen sind, um sich unsere Pferde und Waffen zu holen, nach denen sie lüstern sein werden.“
    „Ich erwürge sie!“
    „Du allein – so viele?“
    „Du hast recht, Sihdi. Und ich darf dich ja auch nicht verlassen, weil du krank bist.“
    „Wir gehen alle beide.“
    „Und die Toten?“
    „Wir legen sie auf die Pferde und gehen neben her.“
    „Dazu bist du zu schwach, Herr. Sieh, wie dich das Aufgraben des leichten Sandes angestrengt hat! Deine Beine zittern.“
    „Sie werden zittern und dennoch aushalten. Komm!“
    Es war eine traurige und zugleich eine schwierige Arbeit, den beiden Pferden ihre Last zu geben. Da wir nicht genug Riemen und Schnüre hatten, mußte ich meinen Lasso zerschneiden, welcher mich so lange Zeit auf allen Reisen begleitet hatte. Aber ich tat es ohne Zaudern, denn es war ja ziemlich gewiß, daß die Hand, welche ihn bisher geschwungen hatte, in wenigen Stunden erstarren werde. Wir befestigten die Toten so, daß je zwei an den Seiten eines Pferdes zu hängen kamen; dann ergriffen wir die Zügel und schritten dem uns gesteckten Ziele zu.
    Nie werde ich diesen Weg vergessen. Hätte ich den treuen Halef nicht bei mir gehabt, so wäre ich zehnmal liegen geblieben. Trotz aller Anstrengung knickte ich bei jedem Schritt in die Knie; in kurzen Abständen mußte ich halten, um nicht neue Kräfte – denn das war unmöglich – sondern neue Energie zu sammeln. Aus den zwei Reitstunden wurden mehrere. Die Sonne sank. Statt das Pferd zu führen, hing ich ihm am Zügel, und so wurde ich endlich, von Halef unterstützt, halb von dem Rappen fortgezogen und halb von dem Hadschi weiter geschoben.
    Wir waren auch aus dem Grund aufgehalten worden, weil wir vorsichtig jede Begegnung vermeiden mußten, und langten endlich – endlich spät abends – an dem Turm an. Hätte ich jemals ahnen können, daß ich an diesem Ort meinen vielbewegten Lauf beschließen werde!
    Wir hielten an derselben Stelle, an welcher wir am vorigen Abend gelagert hatten. Von dem Engländer war keine Spur zu finden. Der Zettel fehlte; jedenfalls hatte er ihn gelesen und war auf meine Weisung sofort nach dem Kanal aufgebrochen. Wir luden die Toten ab, hobbelten die Pferde lang und legten uns nieder, denn heut war nichts anderes mehr möglich.
    „Ich weiß, daß wir uns wiedersehen“, hatte Benda gesagt. Ja, ich war es allerdings, der sie wiedersah! Trotzdem ich sterbensmüde war und nur mit Anstrengung einen klaren Gedanken zu fassen vermochte, begann ich, mir selbst die bittersten Vorwürfe zu machen. Ich hätte meine Meinung kräftiger verteidigen und mich der Unvorsichtigkeit Hassan Ardschir-Mirzas nötigenfalls mit Gewalt entgegenstellen sollen. Hatte mir der Krankheitsanfall Kraft gelassen zu dem stürmischen Ritt und zu dem traurigen Heimweg, so wäre es mir auch möglich gewesen, diesen Mirza Selim Agha unschädlich zu machen. Ich kann mich diesem Vorwurf noch heut nicht ganz entziehen, obgleich seitdem eine geraume Zeit vergangen ist.
    Ich verbrachte eine schlimme Nacht. Bei fast normaler Hautwärme hatte ich einen schnellen, zusammengezogenen und ungleichen Puls; das Atmen ging kurz und hastig; die Zunge wurde heiß und trocken, und meine Phantasie wurde von ängstlichen Bildern und Vorstellungen eingenommen, die mich so quälten, daß ich öfters Halef rief, um mich zu überzeugen, was Einbildung und was Wirklichkeit sei. Oft auch weckte mich aus diesen Phantastereien ein Schmerz, den ich in den Achselhöhlen, am Hals und im Nacken fühlte. Infolge dieses Zustandes, den ich nur deshalb so ausführlich beschreibe, weil ein Pestfall bei uns eine so große Seltenheit ist, war ich bei Anbruch des Tages eher wach als Halef und bemerkte nun, daß sich bei mir Beulen unter den Achseln und am Hals, ein Karfunkel im Nacken und rote Petechien-Gruppen auf der Brust und an den innern Armflächen entwickelten. Jetzt hielt ich mein Schicksal für besiegelt und weckte den Hadschi.
    Dieser erschrak über mein Aussehen. Ich bat ihn um Wasser und schickte ihn dann nach dem Kanal, um den Engländer aufzusuchen und herbeizuholen. Es vergingen drei Stunden, für mich drei Ewigkeiten, und als er dann zurückkehrte, kam er allein. Er

Weitere Kostenlose Bücher