14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Haus, Hof und Garten lagen. Bei unserm Eintritt sahen wir, daß das Haus in zwei Abteilungen geschieden sei, die sogar auch in Beziehung auf die Eingänge voneinander getrennt waren: Die Tür zur Männerabteilung öffnete sich nach vorn, während man die Frauenabteilung nur von der hinteren Seite aus betreten konnte.
Wir wurden von dem Mann natürlich in die erste Abteilung geführt, die zwanzig Schritte lang und zehn Schritte breit war und also Raum genug bot. Fenster gab es nicht, und an ihrer Stelle waren unter dem Dach die Zwischenräume der Balken frei gelassen. Ein Geflecht von Binsen bedeckte den ganzen Boden, und längs der Wände lagen schmale Kissen, die zwar nicht hoch waren, aber für Leute, die wochenlang im Sattel gesessen hatten, doch immerhin eine Annehmlichkeit bildeten.
Wir mußten auf diesen Kissen Platz nehmen, dann öffnete der Wirt eine in der Ecke stehende Truhe und fragte:
„Habt ihr eure eigenen Pfeifen bei euch?“
Wer vermag den Eindruck zu beschreiben, den diese Frage auf uns machte! Allo war draußen bei den Pferden geblieben; wir waren also unser fünf in der Stube; bei der Frage dieses unvergleichlichen Mannes aber langten alle zehn Arme und alle fünfzig Finger nach den Pfeifen, und im vollsten Chor erscholl ein lautes „Ja!“ durch den Raum. „So erlaubt, daß ich euch den Tabak reiche!“
Er brachte das lang entbehrte Kraut herbei. Allah il Allah, überall Allah! Es waren jene mir so wohl bekannten roten viereckigen Paketchen, in denen jener feine Tabak des Feuers harrt, der in Basiran an der Nordgrenze der persischen Wüste Lut gebaut wird. Im Nu waren die Pfeifen gestopft, und kaum stiegen die duftenden Ringel zur Decke empor, so erschien auch bereits die Frau mit dem Trank von Mokka, der in den meisten Fällen gar nichts vom Mokka weiß, den wir aber auch bereits seit Wochen entbehrt hatten, so daß gar kein Zweifel darüber sein konnte, daß er uns munden werde. Mir war so wohl und weich zu Mute, daß ich nicht nur einen, sondern zehn und auch zwanzig Rappen angenommen hätte, wenn Mohammed Emin sie mir hätte schenken wollen, und daß ich mich ärgerte, heute so viel Zeit unnütz auf den Fang der Forellen verwendet zu haben. So aber ist der Mensch – immer und immer ein Sklave des Augenblickes!
Ich trank drei oder vier Täßchen Kaffee und trat dann mit brennender Pfeife hinaus in den Hof, um nach den Pferden zu sehen. Der Köhler erblickte die Pfeife, und aus der Stelle jenes Bartwaldes, hinter der man es wagen konnte, den Mund zu vermuten, erscholl ein so unaussprechliches, sehnsüchtiges Grunzen, daß ich sofort zurückeilte, um auch für ihn ein wenig Basiran zu erbitten. Als ich ihm denselben brachte, steckte er ihn – in den Mund statt in die Pfeife. Er hatte einen andern Geschmack als wir.
Die Umfassungsmauer hatte mehr als Manneshöhe; unsere Pferde standen also vollständig sicher, sobald das große, starke Tor, das den einzigen Eingang bildete, geschlossen war. Das befriedigte mich, und ich kehrte in die Stube zurück, wo der Wirt sich bei den Gästen niedergelassen hatte, mit denen er sich auf arabisch unterhielt.
Bald trug die Wirtin einige Papierlaternen herein, die ein angenehmes Halblicht verbreiteten, und dann brachte sie das Essen, das in lauter kaltem Geflügel bestand, zu dem wir flache Gerstenkuchen aßen.
„Diese Gegend scheint reich an Vögeln zu sein“, bemerkte Mohammed.
„Sehr“, antwortete Mamrahsch. „Der See ist nicht weit von hier.“
„Welcher See?“ fragte ich.
„Der Zeribar.“
„Ah, der Zeribar, auf dessen Grund die untergegangene Stadt der Sünde liegt, die aus lauter Gold gebaut war?“
„Ja Herr. Hast du von ihr gehört?“
„Ihre Bewohner waren so gottlos, daß sie Allah und den Propheten verhöhnten; da sandte der Allkönnende ein Erdbeben, das die ganze Stadt verschlang.“
„Du hast die Wahrheit gehört. An gewissen Tagen sieht man, wenn man den See befährt, beim Untergang der Sonne die goldenen Paläste und Minareh tief auf dem Grund des Wassers leuchten, und wer ein Gottbegnadeter ist, der hört wohl auch die Stimme des Muezzin herauftönen: ‚Hai aal el sallah – ja, rüste dich zum Gebete!‘ Dann sieht man die Versunkenen zur Moschiah strömen, wo sie Beten und Buße tun, bis ihre Sünde getilgt ist.“
„Hast auch du es gesehen und gehört?“
„Nein, aber der Vater meines Weibes hat es mir erzählt. Er fischte auf dem See und war Zeuge dessen, was er dann erzählte. Doch erlaubt, daß ich
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