14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Wieder knallten zwei, drei Schüsse, und in kurzer Zeit darauf abermals einige.
„Um Gottes willen, schnell auf die Pferde!“ rief ich. „Es gibt ein Unglück!“
Wir saßen auf und galoppierten vorwärts. Allo folgte etwas langsamer mit den Pferden der Haddedihn. Wieder krachten zwei Schüsse; dann hörten wir auch kurzen, scharfen Pistolenknall.
„Ein Kampf, wahrhaftig ein Kampf!“ rief Lindsay.
Wir stürmten auf dem Wiesenrand, der den Fluß besäumte, dahin, bogen um eine Krümmung des Höhenzugs und sahen den Kampfplatz so nahe vor uns, daß wir sofort teilnehmen konnten.
Am Fluß lagen einige Kamele im Gras, und in ihrer Nähe weideten mehrere Pferde. Zu zählen wie viele Tiere es seien, hatte ich keine Zeit. Ich sah nur neben den Kamelen einen verhangenen Tachterwahn, rechts am Felsen sechs bis acht fremde Gestalten, die sich gegen eine Überzahl Kurden verteidigten, und grad vor uns Amad el Ghandur, der mit dem Kolben sich gegen einen Haufen Feinde wehrte, die ihn umzingelt hatten. Hart daneben lag Mohammed Emin wie tot am Boden. Hier galt kein Fragen und kein Zagen. Ich sprengte mitten unter die Kurden hinein, nachdem ich die Büchse abgeschossen hatte.
„Da ist er, da ist er! Schont sein Pferd!“ hörte ich eine Stimme rufen. Ich schaute mich um und erkannte – den Scheik Gasahl Gaboya. Er hatte sein letztes Wort gesprochen: – Halef ritt auf ihn ein und schoß ihn nieder. Nun gab es einen Kampf, dessen Einzelheiten ich nicht zu beschreiben vermag, da ich mich derselben selbst nicht einmal sofort nach Beendigung des Handgemenges zu erinnern vermochte. Der Anblick des toten Haddedihn hatte eine fürchterliche Wirkung auf uns ausgeübt. Wir wären vor Wut gegen tausend Lanzen angestürmt, wenn man sie uns entgegengestreckt hätte. Ich weiß nur, daß ich blutete, daß mein Pferd blutete, daß Schüsse knallten und die Blitze derselben an meinem Auge vorbeizuckten; daß ich Hiebe und Stöße parierte und daß eine Gestalt an meiner Seite immer beschäftigt war, Streiche, die ich nicht bemerken konnte, von mir abzuwehren – der treue Halef. Dann bäumte sich mein Pferd gegen einen Stich, den es in den Hals erhielt – er hatte mir gegolten – er stieg hoch empor und überschlug sich; weiter sah, hörte und fühlte ich nichts.
Als ich erwachte, sah ich in das Auge meines kleinen Hadschi; es war voll Tränen.
„Hamdullillah – Allah sei Dank, er lebt! Er öffnet die Augen!“ rief Halef ganz außer sich vor Entzücken. „Sihdi, hast du Schmerzen?“
Ich wollte antworten, konnte aber nicht. Ich war so matt, daß mir die Lider schwer wieder zufielen.
„Ïa Allah, ïa jazik, ïa waï – o wehe, er stirbt!“ hörte ich ihn noch jammern, dann wußte ich abermals nichts von mir.
Später war es mir wie im Traum. Ich hatte mit Drachen und Lindwürmern, gegen Riesen und Giganten zu kämpfen; aber plötzlich waren diese wilden, unheimlichen Gestalten verschwunden; ein süßer Duft wehte um mich her; leise Töne drangen wie Engelsstimmen an mein Ohr, und vier weiche, warme Hände waren um mich bemüht. War dies immer noch Traum, oder war es Wirklichkeit? Ich öffnete abermals die Augen.
Die jenseitigen Höhen der Berge erglühten im letzten Strahl der untergehenden Sonne und über das Tal breitete sich bereits ein Halbdunkel aus; noch aber war es hell genug, die Schönheit der zwei Frauenköpfe zu erkennen, die sich von beiden Seiten her über mich beugten.
„Dirigha, bija – o wehe, fort!“ rief es in persischer Sprache; die Schleier fielen über die Angesichter, und die beiden Frauen flohen davon.
Ich versuchte, mich in sitzende Stellung zu bringen, und es gelang; dabei aber bemerkte ich, daß ich unterhalb des Schlüsselbeines verwundet war. Wie ich später erfuhr, hatte mich eine Lanze getroffen. Auch der ganze übrige Körper schmerzte mich. Es war mir, als ob ich gerädert worden sei. Die Wunde war sehr sorgfältig verbunden, und der Duft, den ich vorhin empfunden hatte, umwehte mich auch noch jetzt.
Da kam Halef herbei und sagte:
„Allah kerihm – Gott ist gnädig; er hat dir das Leben zurückgegeben; er sei gelobt in Ewigkeit!“
„Wie bist du davongekommen, Halef?“ fragte ich matt.
„Sehr glücklich, Sihdi. Ich habe einen Schuß im Oberschenkel; die Kugel hat ein Loch gemacht und ist durchgegangen.“
„Der Engländer?“
„Er hat einen Streifschuß am Kopf, und es sind ihm zwei Finger der linken Hand abgeschnitten worden.“
„Der arme Lindsay!
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