14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Weiter!“
„Allo hat tüchtige Schläge erhalten, aber kein Blut verloren.“
„Amad el Ghandur?“
„Er ist unverletzt, aber er redet nicht.“
„Und sein Vater?“
„Ist tot. Allah gebe ihm das Paradies!“
Er schwieg und ich ebenso. Die Bestätigung des Todes meines alten Freundes erschütterte mich. Nach einer langen Pause erst fragte ich Halef:
„Wie steht es mit meinem Rappenhengst?“
„Seine Wunden sind schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Du weißt noch nicht, wie alles gekommen ist. Soll ich es dir erzählen?“
„Jetzt nicht. Ich will versuchen, zu den andern zu gehen. Warum lag ich entfernt von ihnen?“
„Weil die Frauen des Persers dich verbinden wollten. Er muß ein sehr vornehmer und reicher Herr sein. Wir haben bereits ein Feuer angemacht, du wirst ihn bei demselben finden.“
Das Aufstehen verursachte mir zwar einige Schmerzen, aber mit Halefs Hilfe gelang es, und auch das Gehen brachte ich fertig. Unweit des Ortes, wo ich gelegen hatte, brannte ein Feuer, zu dem mich Halef führte. Die lange Gestalt des Engländers kam mir entgegen.
„Behold, da seid Ihr ja, Master! Habt einen famosen Sturz getan, habt aber ganz verteufelt feste Rippen, wie es scheint. Wir hielten eure Betäubung für Tod.“
„Wie steht es mit Euch? Ihr habt den Kopf und die Hand verbunden?“
„Habe eine Schramme grad an der Stelle, wo die Phrenologen den Verstand vermuten. Es sind etliche Haare und ein Stück Knochen weg; hat aber nichts zu sagen. Yes! Freilich sind auch zwei Finger fort; war grad nicht notwendig!“
Mit dem Engländer hatte sich eine zweite Gestalt vom Feuer erhoben. Es war ein Mann von stolzer Haltung und schönem ebenmäßigen Wuchs. Er trug lange und sehr weite, aus roter Seide gefertigte Sirdschame (Pantalons), ein weißseidenes Pirahan (Hemd) und ein bis unter das Knie reichendes, enges Alkalik (westenartiges Unterkleid). Darüber hatte er noch ein dunkelblauseidenes Kaba (Rock) an und ein fein wollenes Balapusch (Oberkleid) von derselben Farbe. An einem feinen Kaschmir, der um die Hüften geschlungen war, hing ein kostbarer Säbel, neben dem die vergoldeten Griffe zweier Pistolen, eines Dolches und eines Kinschals (krummes, messerartiges Schwert zum Kopfabschneiden) funkelten. Seine Füße steckten in Saffian-Reitstiefeletten, und auf dem Kopf trug er die bekannte persische Lammfellmütze, um die ein kostbarer, weiß und blau gestreifter Shawl gewunden war.
Er trat auf mich zu, verbeugte sich und sprach:
„Mi newahet kjerdem tura – ich mache dir mein Kompliment!“
„Mi scheker kjerdem tura – ich danke dir!“ antwortete ich unter einer ebenso höflichen Verbeugung.
„Emir, neberd azmaï – Emir, du bist schlachtenkundig!“
„Mir, pahawani – Herr, du bist ein Held!“
„Puradarem tu – ich bin dein Bruder!“
„Wafaldarem tu – ich bin dein Freund!“
Wir reichten einander die Hände; dann hatte er die Höflichkeit, zu sagen:
„Deinen Namen habe ich bereits gehört. Nenne mich Hassan Ardschir-Mirza und betrachte mich als deinen Diener!“
Er hatte den Titel ‚Mirza‘, den in Persien ein Prinz zu führen pflegt; er war also jedenfalls eine bedeutende Persönlichkeit.
„Nimm du auch mich unter deinen Befehl!“ antwortete ich ihm.
„Diese acht Männer sind mir untergeben; du wirst sie kennenlernen.“
Er deutete dabei auf acht Gestalten, die respektvoll in der Nähe standen, und fuhr dann fort:
„Du bist der Herr des Lagers. Setze dich.“
„Ich gehorche deinem Wunsch; erlaube mir aber vorher, meinen Freund zu trösten!“
Nicht weit vom Feuer lag die Leiche des Mohammed Emin. Bei ihr saß, uns den Rücken zukehrend, bewegungslos sein Sohn Amad. Ich trat zu ihm. Der alte Haddedihn war durch die Stirn geschossen, und sein langer, weißer Bart war rot gefärbt von dem Blut einer weit klaffenden Halswunde. Ich kniete bei ihm nieder, sprachlos vor Herzensweh. Dann nach längerer Zeit, als es mir gelungen war, meiner Bewegung Herr zu werden, legte ich Amad die Hand an den Arm.
„Amad el Ghandur, ich klage mit dir!“
Er antwortete nicht und regte sich nicht. Ich gab mir alle Mühe, ihn zu einer Äußerung zu bringen, aber vergebens. Es war als habe ihn der Schmerz in eine Statue verwandelt. Ich kehrte also zum Feuer zurück, um an der Seite des Persers Platz zu nehmen. Dabei wäre ich fast über den Kohlenbrenner gestolpert, welcher auf dem Bauch lag und leise klagte.
Ich untersuchte ihn: – er hatte nicht eine einzige Verletzung,
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