14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
betrifft, so glaubte ich, keine Sünde zu tun, wenn ich von dem toten Freund Abschied nahm in der Sprache, die er im Leben gesprochen hatte; die Beteiligung des Persers aber war ein Beweis, daß er an Bildung des Geistes und Herzens den moslemitischen Troß weit überragte. Halef hätte ich zum Dank für seine einfachen, kurzen Sätze gleich umarmen können. Ich wußte es längst: er war, ohne es selbst zu ahnen, nur noch äußerlich ein Moslem, innerlich aber bereits ein Christ.
Wir schickten uns an, den Felsblock zu verlassen. Da zog Amad el Ghandur seinen Dolch und schlug mit demselben von einem Stein des Grabmales ein Stück herab, das er einsteckte. Ich wußte, was das zu bedeuten hatte, und war nun überzeugt, daß ihn kein menschliches Wesen zu überreden vermochte, seine Rache aufzugeben. Er aß und trank im Verlauf des Abends nichts, nahm mit keinem Wort an unserer Unterhaltung teil und zeigte auch mir gegenüber keine Lust, sich in ein noch so kurzes Gespräch einzulassen. Nur auf eine einzige Bemerkung antwortete er:
„Du weißt“, sagte ich nämlich zu ihm, „daß Mohammed Emin den Rappen zurückgenommen hat. Jetzt gehört er dir.“
„So habe ich das Recht, ihn wieder zu verschenken?“
„Ohne Zweifel.“
„Ich schenke ihn dir.“
„Ich nehme ihn nicht an.“
„So werde ich dich zwingen, ihn zu behalten!“
„Wie willst du dies anfangen?“
„Du wirst es sehen. Leïlkum saaïde – gute Nacht!“
Er wandte sich ab und ließ mich stehen. Ich merkte, daß es jetzt an der Zeit sei, in Beziehung auf ihn meine Aufmerksamkeit zu verdoppeln. Es sollte aber anders kommen. Es war heute überhaupt ein trüber, ja trauriger Abend. Der Perser hatte sich hinter die Zweigwand zurückgezogen; seine Leute hockten beieinander, und ich saß mit Halef und dem Engländer schweigsam an der Quelle, wo wir bemüht waren, unsere brennenden Wunden zu kühlen. Der Tod Mohammeds hatte einen jeden von uns mehr angegriffen, als er es den andern eingestehen wollte. Durch die Hitze, mit der mein Blut in den Adern flutete, zuckte zuweilen ein kalter, schüttelnder Schauer – es war das Nahen des Wundfiebers. Auch Halef fieberte bereits.
Ich hatte eine schlechte Nacht, aber meine kräftige Natur ließ es doch zu keinem ordentlichen Anfall kommen. Es war, als fühlte ich jeden einzelnen Tropfen meines Blutes durch die Adern rinnen; halb wach, halb träumend oder phantasierend, schob ich mich hin und her; ich sprach mit allen möglichen Personen, die mir die Einbildungskraft vorführte, und wußte doch, daß es Täuschung sei, und erst am Morgen fiel ich in einen festen Schlaf, aus dem ich erst – gegen Abend erwachte. Der bereits erwähnte Duft umflutete mich, aber anstatt der beiden schönen Augenpaare sah ich die mächtige Aleppobeule auf der Nase des Engländers mir entgegenleuchten.
„Wieder munter?“ fragte er.
„Ich glaube. Was! Dort steht die Sonne? Es ist ja fast Abend!“
„Seid froh, Master! Die Ladies haben Euch in die Kur genommen. Sie schickten Tropfen für die Wunde. Halef hat sieaufgeträufelt. Dann kam die eine selbst und goß Euch irgend etwas zwischen die Zähne. Ist wohl kein Porter gewesen, denke ich!“
„Welche war es?“
„Die eine. Die andere blieb dort. Es kann aber auch die andere gewesen sein, und die eine blieb dort. Weiß nicht!“
„Ich meine, die mit den blauen oder die mit den schwarzen Augen?“
„Habe keine Augen gesehen. Das wickelt sich ja ein wie Postpaket. Es wird aber wohl die Blaue gewesen sein.“
„Warum vermutet Ihr dies?“
„Weil Ihr mit einem blauen Auge davongekommen seid. Ihr scheint Euch ja ganz wohl zu befinden!“
„Allerdings. Ich fühle mich wirklich ganz frisch und munter.“
„Geht mir auch so. Habe die Tropfen auch an meine Wunden getan und fühle keinen Schmerz mehr. Ausgezeichnete Mixtur! Wollt Ihr essen?“
„Habt Ihr etwas? Ich hungere wie ein Wolf.“
„Hier! Die Blaue hat es geschickt. Oder vielleicht war es die Schwarze.“
Neben mir lag eine silberne Tabah (präsentiertellerartige Pfanne), die kaltes Fleisch, gesäuertes Brot und allerlei Mazih (Leckerbissen) enthielt. Daneben stand ein Tschidan (Teetopf), der aber anstatt mit Tee mit einer kräftigen Fleischbrühe gefüllt war, die noch Wärme besaß.
„Die Ladies scheinen gewußt zu haben, daß ich erwache, bevor die Bouillon erkaltet“, sagte ich.
„Dieser Topf wartet bereits seit Mittag auf Euch. Sobald er kalt geworden ist, lassen sie ihn durch die Alte holen
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