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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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am Mittag bei unserm Lager an.
    Noch ehe wir es erreichten, kam mir Halef von der Höhe herab entgegengesprungen.
    „Allah sei Lob und Dank, Sihdi, daß du glücklich zurückkehrest! Wir haben große Sorge ausgestanden, denn du bist zwei und einen halben Tag weggeblieben, anstatt nur einen. Ist euch vielleicht ein Unglück begegnet, Effendi?“
    „Nein; es ist im Gegenteil alles sehr glatt abgelaufen. Wir sind nicht früher gekommen, weil wir nicht eher Gewißheit fanden, die Perser wirklich irregeführt zu haben. Wie steht es im Lager?“
    „Gut, obgleich etwas vorgekommen ist, was nicht sein sollte.“
    „Was?“
    „Saduk ist entflohen.“
    „Saduk! Wie konnte er entkommen?“
    „Er muß unter den andern einen Freund haben, der ihm die Fesseln zerschnitten hat.“
    „Wann ist er fort?“
    „Gestern früh, am hellen Morgen.“
    „Wie ist dies möglich gewesen?“
    „Du warst mit dem Inglis fort, und ich saß Wache hier unten. Die Perser aber verließen das Lager, einer nach dem andern, um zu sehen was die Ihlats tun würden. Diese zogen ruhig ab, aber als die Perser wieder in das Lager zurückkehrten, war der Gefangene verschwunden.“
    „Das ist schlimm, sehr schlimm! Wäre es einen Tag später geschehen, so könnte man ruhig sein. Komm, führe das Pferd.“
    Droben auf der Höhe kamen mir alle mit Freuden entgegen. Ich sah so recht, in welcher Sorge man um uns gewesen war; dann aber nahm mich Mirza beiseite und berichtete mir Saduks Flucht.
    „Es gibt zweierlei in Betracht zu ziehen“, erwiderte ich. „Erstens: wenn Saduk die Ihlats erreicht, so wird er sie schleunigst zurückbringen. Zweitens: er kann sich auch in der Nähe des Lagers aufhalten, um sich zu rächen. Wir sind hier in keinem Fall mehr sicher und müssen diesen Platz sofort verlassen.“
    „Wohin gehen wir?“ fragte Hassan Ardschir-Mirza.
    „Vor allen Dingen auf das andere Ufer des Flusses. Nach unten zu gibt es keine Furt, folglich kehren wir um bis zu der Stelle, an der du herübergekommen bist. Dies erhöht zugleich unsere Sicherheit, denn man wird nicht glauben, daß du aufwärts gegangen bist. Sollte Saduk zurückgeblieben sein, um sich des Nachts zu rächen, so wird er sich am Tag doch nicht in unsere Nähe wagen. Ich könnte zwar versuchen, mit dem Hund seine Spur zu finden, aber das ist unsicher und zeitraubend. Gib Befehl, aufzubrechen, und zeige mir die durchschnittenen Fesseln Saduks. Von jetzt an aber laß deine Diener niemals wissen, was du zu tun beabsichtigst.“
    Er ging in die Hütte der Frauen und kam mit den Fesseln zu mir zurück. Sie bestanden aus einem Tuch, das als Knebel gedient hatte, aus zwei Stricken und einem Riemen; alle vier Gegenstände waren zerschnitten. Das Tuch machte mir die meiste Mühe, da die Falten, in denen es gelegen hatte, nicht leicht wieder so genau herzustellen waren. Endlich gelang es mir, und ich untersuchte nun die Schnittflächen höchst genau.
    „Laß deine Leute herantreten!“ sagte ich zu dem Mirza.
    Sie kamen auf seinen Ruf herbei, ohne zu wissen, um was es sich handelte; jetzt aber sahen sie die Fesseln vor mir liegen.
    „Gebt mir einmal eure Messer und Dolche!“ befahl ich.
    Während ein jeder mir das Verlangte entgegenstreckte, beobachtete ich die Gesichtszüge eines jeden einzelnen, ohne etwas Auffälliges zu entdecken. Ich untersuchte nun die Schneiden der Instrumente sorgfältig und bemerkte dabei so obenhin: „Diese Sachen sind nämlich mit einem dreikantigen Dolch durchschnitten worden; ich werde den Täter bald entdecken.“
    Es waren überhaupt nur zwei dreikantige Dolche vorhanden, und ich bemerkte, daß der Besitzer des einen jäh erblaßte. Zugleich sah ich, daß er die eine Ferse leicht erhob, wie einer, der sich zum Sprung richtet. Daher sagte ich leichthin:
    „Der Täter will entfliehen; er mag dies nicht wagen, denn das würde seine Sache verschlimmern, anstatt sie zu verbessern. Es kann ihn nur ein offenes Geständnis retten.“
    Der Mirza sah mich mit erstaunten Augen an, und auch die drei Frauenköpfe, die über der Scheidewand erschienen waren, flüsterten sich leise Bemerkungen der Verwunderung durch die Schleier zu.
    Jetzt war ich mit meiner Prüfung zu Ende und hatte Gewißheit erlangt. Ich deutete mit dem Finger auf den Betreffenden und sagte:
    „Dieser ist es; haltet und bindet ihn!“
    Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, so schnellte er mit einem weiten Satz fort und eilte nach den Büschen. Die andern wollten ihn verfolgen.
    „Bleibt!“

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