14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Hauses, wo ein dichter Holunder seine reichen Dolden ausbreitete. Hier fand ich Hassan Ardschir-Mirza.
„Hast du etwas Wichtiges zu besprechen?“ fragte ich ihn.
„Für uns ist es wichtig, denn es betrifft unsere Reise. Ich habe mir überlegt, was ich tun soll, und es würde mir lieb sein, wenn meine Gedanken deinen Beifall fänden. Verzeihe, daß ich dich im Schlaf stören ließ.“
„Laß mich hören, was du beschlossen hast!“
„Du bist bereits in Bagdad gewesen. Hast du auch Freunde oder Bekannte dort?“
„Einige flüchtige Bekanntschaften, doch zweifle ich nicht, daß diese Männer mir freundlich gesinnt sind.“
„So kannst du also dort sicher wohnen?“
„Ich wüßte nicht, was ich dort zu befürchten hätte. Auch stehe ich unter dem Schutz des Großherrn und kann mich sogar unter denjenigen einer europäischen Macht stellen.“
„So werde ich eine Bitte aussprechen. Ich habe dir bereits gesagt, daß meine Leute mich in Ghadhim erwarten. Mir ahnt, daß ich dort nicht sicher wäre, und daher sollst du hingehen und meine Angelegenheiten besorgen.“
„Gerne. Welche Aufträge willst du mir anvertrauen?“
„Die Kamele, die du dort finden wirst, haben mein Besitztum getragen, das ich zu retten vermochte. Dies ist mir auf meiner Weiterreise hinderlich und beschwerlich; ich werde alles verkaufen. Willst du mir erlauben, diesen Verkauf in deine Hand zu legen?“
„Ja, wenn du mir dieses große Vertrauen schenken willst.“
„Ich schenke es dir. Ich werde dir einen unserer jetzigen Begleiter mitgeben, der dich mit einem Brief bei Mirza Selim Agha legitimieren soll. Du verkaufst alles: die Last samt den Tieren, und kannst dann die Leute bezahlen und entlassen.“
„Wird Mirza Selim Agha nicht zornig werden, daß du dieses Geschäft nicht ihm anvertraust? Er hat dir treu gedient; er hat deine Güter bis nach Bagdad geleitet; er hat sich also ein Recht auf dein Vertrauen erworben.“
„Widersprich mir nicht, Emir, denn ich weiß, was ich tue. Er ist der einzige, den ich nicht entlasse; damit soll er zufrieden sein. Ich glaube, daß du meinen Auftrag besser ausführen kannst als er, und ich erteile ihn dir auch noch um eines andern Grundes willen. Wirst du in Bagdad sogleich eine Wohnung finden können?“
„Ich werde sofort die Wahl unter vielen haben.“
„Ich werde dir nicht nur die Güter, sondern auch mein ‚Haus‘ anvertrauen, Emir. Willst du?“
„Hassan Ardschir-Mirza, du versetzt mich in Erstaunen und Verlegenheit! Bedenke, daß ich ein Mann und daß ich ein Christ bin!“
„Ich frage nicht danach, ob du ein Christ oder ein Moslem bist; denn als du mich aus der Hand der Bebbeh errettetest, hast du diese Frage auch nicht getan. Ich muß danach trachten, meinen Verfolgern zu entgehen. Sie dürfen nicht wissen, wo Hassan Ardschir-Mirza sich befindet; darum vertraue ich dir meine Habe an, und darum übergebe ich dir auch mein ‚Haus‘, um es während meiner Abwesenheit unter deinen Schutz zu nehmen. Ich weiß, daß du die Ehre meines Weibes und meiner Schwester Benda achten wirst.“
„Ich werde diese beiden weder zu sehen noch zu sprechen verlangen. Aber von welcher Abwesenheit redest du, Mirza?“
„Während ihr in Bagdad seid, werde ich mir Mirza Selim Agha nach Kerbela gehen, um die Gebeine meines Vaters zu begraben.“
„Du vergißt, daß auch ich nach Kerbela will!“
„Emir, gib diesen Entschluß auf; er ist zu gefährlich! Ja, du warst in Mekka, ohne das Leben zu verlieren; aber bedenke, welcher Unterschied zwischen Mekka und Kerbela ist. Dort sind fromme, ruhige Moslemim, in Kerbela aber findest du Fanatiker, die durch die Ausführung von Hosseïns Trauerspiel bis zum Wahnsinn erregt und in eine tolle Wut gebracht werden, der regelmäßig selbst echte Gläubige zum Opfer fallen. Ahnte nur ein einziger, daß du kein Schiit, ja daß du nicht einmal ein Moslem wärst, so würdest du den grausamsten Tod erleiden. Folge mir und laß ab von deinem Vorsatz!“
„Wohlan! Ich werde mich erst in Bagdad entschließen, was ich tue. Aber ob ich gehe oder ob ich bleibe, so kannst du doch überzeugt sein, Hassan Ardschir-Mirza, daß dein ‚Haus‘ sich in vollständiger Sicherheit befinden wird.“
So endete unsere Unterredung.
Wir blieben noch volle fünf Tage an dieser Stelle und brachen erst auf, nachdem wir die feste Überzeugung erlangt hatten, daß die Kräfte sämtlicher Begleiter wiederhergestellt seien. Der Ritt durch die Berge ging ganz glücklich von
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