14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
war bald in Schlaf gesunken.
Hassan Ardschir-Mirza war begierig, sich mit mir beraten zu können, und dort an der Scheidewand sah ich drei weibliche Gestalten stehen, die die Sorge getrieben hatte, unsere Unterhaltung lieber direkt anzuhören, als sich später über dieselbe berichten zu lassen.
„Wo warst du jetzt, Emir?“ fragte er.
„Ich wollte dir Zeit lassen, nachzudenken und dich zu beruhigen. Ein kluger Mann fragt nicht seinen Zorn, sondern seinen Verstand um Rat. Dein Zorn wird sich gelegt haben; nun sage, was du zu tun gedenkst.“
„Ich werde diese Menschen mit meinen Leuten überfallen und töten!“
„Diese dreißig starken und gesunden Männer mit deinen Verwundeten?“
„Du und deine Begleiter, ihr werde uns beistehen.“
„Nein, das werden wir nicht tun. Ich bin kein Barbar, sondern ein Christ. Mein Glaube gestattet mir, mein Leben zu verteidigen, wenn es angegriffen wird; sonst aber gebietet es mir, das Leben meines Bruders zu achten. Das heilige Buch der Christen befiehlt: ‚Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen deinen Kräften, und deinen Nächsten, wie dich selbst!‘ Also muß mir das Leben meines Nächsten ebenso heilig sein, wie das meinige.“
„Aber diese Männer sind ja nicht unsere Brüder, sondern unsere Feinde!“
„Sie sind dennoch unsere Brüder. Der Koran der Christen sagt: ‚Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tuet wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen; dann seid ihr Kinder eures Vaters im Himmel!‘ Ich muß diesem Befehl Gehorsam leisten, denn ich bin ein Christ.“
„Aber dieser Befehl ist nicht klug, ist nicht vorteilhaft. Wenn du ihn befolgst, so mußt du ja in jeder Gefahr umkommen und in einem jeden Kampf den kürzeren ziehen!“
„Im Gegenteil! In diesem Befehl liegt der Inbegriff der göttlichen Weisheit verborgen. Ich habe mich in mehr und größeren Gefahren befunden und bin viel öfters in der Lage gewesen, mich zu verteidigen, als tausend andere; aber ich lebe noch, ich habe stets gesiegt, denn Gott beschützt denjenigen, der ihm gehorsam ist.“
„So willst du mir nicht helfen, Emir, trotzdem du mein Freund bist?“
„Ich bin dein Freund und werde es dir auch beweisen; aber ich frage dich: willst du, Hassan Ardschir Mirza, ein feiger Meuchelmörder sein?“
„Niemals, Emir!“
„Und dennoch willst du die Ihlats im Schlaf überfallen! Oder gedenkst du, sie vorher zu wecken, damit der Kampf ein ehrlicher sei? Dann wärest du ja verloren.“
„Herr, ich fürchte sie nicht!“
„Ich weiß es. Ich sage dir, daß ich allein gegen diese dreißig Männer kämpfen würde, wenn es sich um eine gerechte Sache handelte; meine Waffen sind mehr wert, als alle die ihrigen. Aber wer sagt mir, daß nicht schon ihr erster Schuß, ihr erster Hieb oder Stich mir das Leben nehmen wird? Eine wilde, ungezügelte Tapferkeit gleicht der Wut eines Büffels, der blind in den Tod rennt. Ich setze den Fall: Ihr tötet zehn oder fünfzehn dieser Ihlats, so bleiben immer noch fünfzehn übrig, die gegen euch stehen. Ihr habt euch ihnen selbst verraten, und sie werden sich an eure Fersen heften, bis ihr aufgerieben seid.“
„Deine Rede klingt weise, Herr; aber wenn ich meine Verfolger schone, so gebe ich mich ja in ihre Hände! Sie werden mich heut oder morgen ergreifen, und was dann geschieht, das hast du ja selbst gehört.“
„Wer sagt, daß du dich in ihre Hände geben sollst?“
„Was sonst? Oder kannst du sie vielleicht bewegen, mich ruhig ziehen zu lassen?“
„Ja, das werde ich allerdings tun.“
„ W'Allah ! Das ist – das ist – – – Emir, ich weiß nicht, wie ich das nennen soll!“
„Nenne es deli, verrückt. Das ist der richtige Ausdruck. Nicht?“
„Ich darf nicht ‚ja‘ sagen, denn ich achte dich. Glaubst du wirklich, daß du diese Menschen, die sich nach meiner Habe und nach meinem Leben sehnen, überreden kannst, mich entkommen zu lassen?“
„Ich bin davon überzeugt; doch höre. Ich war soeben unten am Fluß und habe einige Bäumchen umgebrochen. Wenn die Ihlats dies bemerken, werden sie meinen, Saduk habe es getan. Bei Anbruch der Morgenröte werden sie ihren Weg fortsetzen. Ich reite vor ihnen her, um ihnen Zeichen zu machen, durch die sie irre geführt werden. Aber sollten sie vor ihrem Abzug unser Lager dennoch entdecken, so verteidigt ihr es. Ich werde eure Schüsse hören und sofort herbeikommen.“
„Was wird es nützen, sie von unserer Spur zu bringen, wenn sie
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