Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
gebot ich.
    „Emir, er wird entkommen!“ rief der Mirza.
    „Er entkommt nicht“, antwortete ich. „Siehst du nicht meinen Hund bei mir? Dojan, tut onu – ergreife ihn!“
    Der Hund sauste davon und zwischen die Büsche hinein – ein lauter Schrei erscholl und zugleich der meldende Laut des Tieres.
    „Halef, hole den Kerl!“ sagte ich.
    Der kleine Hadschi gehorchte mit sehr befriedigter Miene.
    „Aber Emir“, fragte Hassan, „wie kannst du an den Messern sehen, wer der Täter war?“
    „Sehr leicht! Eine flache Klinge wird einen ganz andern Schnitt machen, als eine dreikantige, die sich mehr zum Stoß eignet. Die Schnittflächen wurden weit auseinander gedrängt, darum war der Schnitt nicht mit einem dünnen Instrument geschehen. Und nun blick her: diese Schnittflächen sind da, wo sie beginnen, nicht glatt, sondern zerrissen und gestülpt; die Klinge, mit der die Tat geschah, hatte also eine sehr bemerkbare Scharte gehabt. Und nun sieh dir diesen Dolch an: er ist der einzige von allen, der eine solche Scharte hat.“
    „Herr, deine Weisheit ist zu bewundern!“
    „Dieses Lob verdiene ich nicht. Die Erfahrung hat mich gelehrt, in allen Lagen auch das Kleinste zu beobachten; es ist also nicht Weisheit, sondern einfache Gewohnheit von mir.“
    „Aber wie wußtest du, daß er entfliehen wollte?“
    „Weil ich sah, daß er erst erbleichte und dann das Sprunggelenk erhob. Wer soll ihn verhören, du oder ich?“
    „Tue du es, Emir! Bei dir wird er nicht leugnen.“
    „So mögen sich deine Leute entfernen, damit ihm das Geständnis leichter wird. Hier, gib ihnen die Messer zurück! Aber ich mache die eine Bedingung, daß du mir erlaubst, das Urteil zu fällen, und mir versprichst, der Ausführung desselben nicht hinderlich zu sein.“
    Er willfahrte gerne.
    Jetzt brachte Halef den Inkulpaten herbei, der ganz verstört aussah. Auf meinen Wink führte ihn der kleine Hadschi vor die Stelle, an der ich mich mit Hassan Ardschir-Mirza niedergelassen hatte. Ich sah ihm einige Augenblick lang scharf in das Gesicht und sagte dann:
    „Es steht bei dir, welches Schicksal du heut finden wirst. Gestehst du deinen Fehler aufrichtig, so hast du Gnade zu erwarten; leugnest du aber, so mache dich bereit, in die Dschehennah zu gehen!“
    „Herr, ich werde alles sagen“, antwortete er; „aber tue den Hund weg!“
    „Er bleibt vor dir stehen, bis wir fertig sind. Er ist bereit, dich auf einen Wink von mir zu zerreißen. Jetzt sage aufrichtig: warst du es, der Saduk befreit hat?“
    „Ja, ich bin es gewesen.“
    „Warum hast du es getan?“
    „Weil ich es ihm geschworen hatte.“
    „Wann?“
    „Ehe wir zu dieser Reise aufbrachen.“
    „Wie kannst du ihm etwas schwören, da er doch stumm ist und gar nicht mit dir zu sprechen vermag?“
    „Herr, ich kann lesen!“ antwortete er stolz.
    „So erzähle!“
    „Ich saß mit Saduk ganz allein im Hof; da schrieb er mir auf ein kleines Pergament die Frage, ob ich ihn lieb habe. Ich antwortete mit ‚ja‘, denn er dauerte mich, weil man ihm die Zunge genommen hatte. Er schrieb weiter, daß auch er mich lieb habe, und dann schwuren wir bei Allah und dem Koran, daß wir einander nie verlassen und uns beistehen wollten in jeder Not und Gefahr.“
    „Redest du die Wahrheit?“
    „Ich kann es dir beweisen, Emir, denn ich habe das Pergament noch, auf dem es geschrieben steht.“
    „Wo ist es?“
    „Ich habe es hier in meinem Gürtel.“
    „Zeige es her.“
    Er gab mir das Blatt in die Hand; es war sehr beschmutzt, aber man konnte die Schrift noch gut erkennen. Ich gab dem Mirza das Pergament; er las es und nickte beistimmend.
    „Du bist sehr unvorsichtig gewesen“, sagte ich zu dem Mann. „Du hast dich diesem Menschen angeschworen, ohne zu prüfen, ob es auch vielleicht zu deinem Schaden sein könne.“
    „Emir, es hat ihn jeder andere für einen ehrlichen Mann gehalten!“
    „Erzähle weiter!“
    „Ich habe nie geglaubt, daß er ein Bösewicht sei, und darum hatte ich Mitleid mit ihm, als er in Fesseln lag. Ich erinnerte mich meines Schwures, ihm in jeder Not beizustehen, und ich dachte, daß Allah mich strafen würde, wenn ich diesen Schwur nicht hielte. Daher wartete ich den Augenblick ab, als alle fort waren, und machte Saduk frei.“
    „Sprach er mit dir?“
    „Er kann ja nicht reden.“
    „Ich meine durch Zeichen und Gebärden.“
    „Nein. Er erhob sich, streckte sich, gab mir die Hand und sprang in das Gebüsch.“
    „In welcher Richtung?“
    „Da

Weitere Kostenlose Bücher