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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Augenblick eine relative Ruhe einzukehren. Doch dann war es, als wolle man mit einem letzten Aufbäumen, einem finalen Feuerwerk enden, denn wieder ging ein gewaltiges Kanonenfeuer los: Abermals sahen Anthime und Bossis sich mit Erde beworfen durch die Explosion einer weiteren Granate, die auf die Sappe gefallen war, aus der sie gerade eben kamen und deren Überdeckung vor ihren Augen dem Einschlag nicht standhielt.
    Nachts legte sich das Feuer ein wenig, man hätte die Lage beinahe ruhig finden können, hätte man nicht, da der Verpflegungsnachschub durch den Angriff durcheinandergeraten war, in der Finsternis etwas zu essen besorgen und dafür bis nach Perthes fünf Kilometer durch Laufgräben zurücklegen müssen. Nach der Rückkehr konnte Anthime vorm Schlafengehen gerade noch einen Brief von Blanche lesen, den er vorfand, in dem sie Neues von Juliette berichtete – der zweite Zahn –, bevor er von einem Fourier erfuhr, dass das 120. nach rechts hin zwei Schützengräben hatte einnehmen können. Links, zum Hügel von Souain hin, hatten die anderen zwei erobert, die man ihnen, wie es hieß, sofort wieder abgejagt hatte, kurz, es hörte nicht auf.
    Und vom nächsten Morgen an ging es ohne Atempause weiter mit ununterbrochenem polyphonen Gedonner in der bissigen Kälte, die sich beharrlich festgesetzt hatte. Die Kanone donnert als Basso continuo, Granaten aller Kaliber jaulen und schlagen ein, Kugeln pfeifen, klatschen, seufzen oder miauen, je nach Flugbahn, Maschinengewehre, Handgranaten und Flammenwerfer, die Bedrohung ist überall: Sie kommt von oben von den Flugzeugen und Bombenwerfern, von vorn mit der gegnerischen Artillerie und sogar von unten, wenn man im Schützengraben einen Moment Ruhe zu finden glaubt und schlafen will und dann den Feind genau unter diesem Schützengraben dumpf hacken hört, unter einem selbst, wo er Tunnel gräbt, in denen er Minen ablegen wird, um den Schützengraben zu zerstören und einen selbst gleich mit.
    Man klammert sich an sein Gewehr, an sein Messer, dessen von den Gasen stumpf gewordenes, gebräuntes, oxidiertes Metall im kalten Licht der Leuchtraketen kaum mehr glitzert, in der von faulenden Pferden, von verwesenden Menschen verpesteten Luft, und diejenigen, die sich in all dem Schlamm noch halbwegs auf den Beinen halten können, stinken nach Pisse und Scheiße und Schweiß, nach Schmutz und Erbrochenem, ganz zu schweigen von der alles erfüllenden ranzigen, schimmligen, abgestandenen Ausdünstung, obwohl sich die Front doch eigentlich an der frischen Luft befindet. Aber nein: Alles riecht ungelüftet, sogar man selbst und auch noch in sich, in seinem eigenen Inneren, hinter den Stacheldrahtverhauen, an denen sich zersetzende und zerfallende Leichname aufgehakt sind und an denen die Pioniere manchmal die Drähte ihrer Funkgeräte befestigen – keine leichte Aufgabe für sie, die Pioniere schwitzen vor Erschöpfung und Angst, ziehen ihren Mantel aus, um bequemer arbeiten zu können, hängen ihn über einen Arm, der aus der umgepflügten Erde ragt und ihnen als Kleiderständer dient.
    All das ist schon tausendfach beschrieben worden, vielleicht lohnt es gar nicht weiter, sich bei dieser stumpfsinnigen, stinkenden Oper aufzuhalten. Vielleicht ist es übrigens nicht einmal sehr nützlich oder treffend, den Krieg mit einer Oper zu vergleichen, schon gar nicht, wenn man kein besonderer Freund der Oper ist, obgleich der Krieg wie sie gewaltig ist, atemraubend, exzessiv, voller quälender Längen, wie sie furchtbar viel Lärm macht und auf die Dauer meist auch ziemlich langweilig ist.

11
    A n einem der folgenden Morgen, der sich von den übrigen gar nicht so unterschied, beschloss der Schnee zu fallen, und zwar zur selben Zeit wie die Granaten – wenn auch nicht in derselben Dichte: an diesem Morgen etwas weniger zahlreich als sonst, erst drei bisher –, während Padioleau beschloss zu jammern.
    Ich habe Hunger, wimmerte Padioleau, mir ist kalt, ich habe Durst, und außerdem bin ich müde. Ja klar, sagte Arcenel, wie wir alle. Und außerdem fühle ich mich so bedrückt, fuhr Padioleau fort, abgesehen davon habe ich Bauchweh. Wird schon vergehen, dein Bauchweh, prognostizierte Anthime, das haben wir mehr oder weniger alle. Aber Padioleau ließ nicht locker: Ja, aber das Schlimmste ist, ich weiß nicht, ob ich bedrückt bin, weil ich Bauchweh habe (so langsam gehst du uns auf den Wecker, warf Bossis ein), oder ob ich Bauchweh habe, weil ich mich bedrückt fühle, versteht ihr,

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