140 - Zombies auf der Reeperbahn
ersten Moment, das
falsche Fenster in Augenschein zu nehmen.
Aber dann sah sie, daß die ganze Reihe in
Ordnung war.
Sie ließ sich ihre Überraschung nicht
anmerken, faßte sich an den Kopf und tat so, als würde sie intensiv über die
Schwäche, die sie befallen hatte, nachdenken.
»Ich habe einfach nur ... dort unten im Hof
gelegen ?« murmelte sie.
« Hollenz bestätigte
es ihr. Er sei auf dem Weg in die Bar gewesen, um sich den Abend etwas
kurzweiliger zu gestalten.
Kein Wort fiel über den Toten, kein Wort über
die unheimlichen Skelette und das Durcheinander, das dort unten geherrscht
hatte. Dies alles mußte bereits vorüber gewesen sein, als Holienz aus dem Haus
kam.
Sie warf einen schnellen Blick auf ihre
Armbanduhr und erschrak.
»Mein Auftritt! In zehn Minuten muß ich auf
der Bühne sein«, stieß sie hervor.
»Müssen Sie wirklich ?« Er trat auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Schultern.
»Billy nimmt es sehr genau. Er fährt aus der
Haut, hab’ ich mir sagen lassen, wenn die Mädchen unpünktlich sind. Ich möchte
keine Scherereien mit ihm haben .«
Er sah sie lange und eingehend an, und sie
erwiderte seinen Blick. »Haben Sie das wirklich nötig ?«
»Was - nötig?« Sie sah ihn treudoof an. »Nun,
den Job, dem Sie hier nachgehen.«
»Ich brauche Geld für die Miete, zum Essen
und zum Trinken .«
»Eine Frau wie Sie hat bestimmt noch andere
Möglichkeiten .«
»Eine Frau wie ich? Warum betonen Sie das so,
Professor ?«
»Irgendwie passen Sie nicht in dieses Milieu.
Und außerdem - gefallen Sie mir !«
Sie hob die feinen Augenbrauen. »Ich habe
einen Vertrag mit Billy. Sechs Monate habe ich mich verpflichtet, fünfmal pro
Abend im »Einäugigen Pirat«
aufzutreten. Danach können wir noch mal
miteinander reden. Wollen Sie mich sehen und dann mieten ?« fragte sie amüsiert.
Sie hatte noch immer einen dumpfen Druck im
Kopf und fragte sich, wie ihre Bewußtlosigkeit wohl zustande gekommen war.
Hollenz hatte leider nichts beobachtet.
Was war aus der Leiche des Mannes geworden,
der ihr in den letzten Sekunden seines Lebens noch einige interessante Hinweise
auf die Zombie-Skelette und die »Anja T .« gegeben
hatte. Mit der »Anja T .« war Hollenz gekommen ...
Vielleicht wußte er doch einiges mehr, als
dies auf den ersten Blick schien. Vielleicht konnte oder wollte er nicht
darüber reden. Es gab keinen Grund, daß er sich ihr anvertraute. Noch waren sie
sich fremd.
Aber ihre Anwesenheit in Hamburg bezweckte, Hollenz näher kennenzulernen, und durch den mysteriösen
Zwischenfall im Hof zwischen den beiden ungleichen Häusern war eine Situation
entstanden, die sie für ihre Zwecke nutzen konnte.
»Vielleicht«, sagte sie leise und legte ihre
schlanken Arme um seinen Hals, »vielleicht laß ich mich auch früher abwerben,
wer weiß ... Aber nun muß ich gehen .«
»Sie sollten heute abend nicht auftreten.
Ruhen Sie sich besser aus, solange nicht geklärt ist, wie Ihre Bewußtlosigkeit
zustande kam .«
»Ich muß rüber. Da hilft alles nichts.
Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe.«
Morna löste sich blitzschnell von ihm, ehe er
sie an sich ziehen konnte.
Leichtfüßig durchquerte sie den großen,
einfach eingerichteten Raum. Hier standen Möbel, wie sie in jedem drittklassigen
Hotel zu finden waren. Sie gaben dem Raum keine individuelle Note und keine
Atmosphäre.
»Ich komme nach. Ihren Auftritt lasse ich mir
natürlich nicht entgehen. Schade, daß Sie nicht bleiben.«
An der Tür drehte Morna sich noch mal um. Das
Apartment bestand aus insgesamt drei Zimmern. Die Türen zu den anderen waren
verschlossen. »Ich komme garantiert wieder. Wenn Sie wollen, strippe ich ganz
allein für Sie nach meinem letzten Auftritt. Sie sind sehr nett. Ich mag Sie .«
Er lächelte versonnen. »Das beruht auf
Gegenseitigkeit .«
»Sie müssen mir viel über sich erzählen,
Professor! Es ist bestimmt interessant, was Sie machen .«
»Ich bin Professor der Anthropologie. Ich
erforsche das Werden und die Geschichte bestimmter menschlicher Rassen. Auf
meinen Reisen stoße ich immer wieder auf Rätsel und Geheimnisse. Oft auf Dinge,
die man nicht für möglich hält.«
»Faszinierend, Professor! Das allés müssen Sie mir erzählen .« Sie verließ die Wohnung und eilte über die Treppe nach unten. Hollenz hatte
sein Apartment in der dritten Etage.
Morna Ulbrandson suchte nicht mehr ihr
eigenes Zimmer auf.
Es war höchste Zeit.
Die Schwedin kam gerade unten am Haupteingang
an, als Billy
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