1400 - Die Templerbraut
konzentrierte sich auf dieses Bild, das ihm nicht so recht in den Kopf wollte. Irgendwie weigerte er sich auch, es zu begreifen. Wie war es möglich, dass ihm der Würfel eine Frau zeigte?
So anders der Würfel auch sein mochte, er hatte schon mit der Realität zu tun, denn die Bilder, die er bot, waren keine Hirngespinste. Was Godwin bisher gesehen hatte, war stets eingetroffen, und deshalb besaß auch die Frau für ihn eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
Warum sah er sie? Warum wurde sie ihm präsentiert? Er konnte sich keine Antwort auf diese Fragen geben. Sie war vorhanden, und sie war bestimmt nicht grundlos erschienen. Die Gestalt hatte etwas zu bedeuten, das mit ihm in einem direkten Zusammenhang stand, denn gelogen hatte der Würfel noch nie.
Godwin de Salier blieb in seinem höchst konzentrierten Zustand.
Er wollte nur alles so genau wie möglich sehen, deshalb beugte er sich noch tiefer dem geheimnisvollen Gegenstand zu, aber die Gestalt der Frau trat nicht deutlicher hervor. Sie war sowieso nur an ihrer Figur zu erkennen, aber er wusste, dass sie in der Zukunft sehr wichtig sein konnte, und er verspürte auch keine Furcht vor ihr. Sie war vorhanden, und sie schien so etwas wie eine Partnerin zu sein.
Er mochte sie. Es gab keine schlechten Gefühle in ihm, und er merkte dann, dass die Botschaft allmählich verblasste.
Die Frau löste sich Stück für Stück auf. Für den Templer sah es so aus, als würde sie in den Gegenstand hineingezogen, um dann endgültig zu verschwinden.
Aus – vorbei!
Der Würfel gab keine Botschaft mehr ab. Auch die Schlieren verschwanden. Godwin gab seine starre Haltung auf. Er lehnte sich zurück und spürte den leichten Druck in seinem Rücken. Auf eine gewisse Art und Weise war er zufrieden, aber diese Zufriedenheit paarte sich auch mit einer sehr starken Neugierde.
Er blieb zunächst einmal sitzen, weil er sich das Gesehene durch den Kopf gehen lassen wollte. Es war eine Botschaft, die einzig und allein ihn betraf.
Godwin kam immer mehr zu sich. So stellte er fest, dass die Temperatur in seinem Innern abgesunken war, deshalb erlebte er auch das leichte Frösteln.
Die Heizung war in der Nacht auf Sparflamme gestellt. De Salier merkte, dass sich in seinem Mund kaum Speichel befand. Er stand auf, ging zu einem Kühlschrank und holte eine Flasche Mineralwasser darauf hervor. Auf ein Glas verzichtete er. Der Schluck tat ihm gut. Als er die Flasche absetzte, war der erste Durst zwar gelöscht, die innere Zufriedenheit allerdings hatte er noch nicht wieder zurückgefunden.
Er wartete darauf, dass sich sein Herzschlag beruhigte. Erst dann stand er auf. Die ersten Schritte legte er noch unsicher zurück und schwankte sogar leicht, als er sich auf dem Weg zum Fenster machte und wieder hinausschaute. Nach einer Weile öffnete er es, als wollte er etwas von dem fahlen Mondlicht am Himmel einfangen.
Er hatte eine Frau als geisterhafte Gestalt gesehen. Das war nun vorbei. Auch wenn er sich noch so stark konzentrierte, sie war nicht in der Realität vorhanden – noch nicht.
Godwin drehte sich vom Fenster weg und setzte sich wieder hinter den Tisch. Die zweite Haut auf seinem Rücken blieb weiterhin bestehen, und er fragte sich, was sich noch alles ereignen würde.
Wie weit würden sich die Dinge verändern? Bewegte sich wieder eine Gefahr auf das Kloster zu?
Er konnte es nicht sagen, und auch sein Gefühl sprach nicht eben dafür.
Was er gesehen hatte, das musste ihn schon sehr persönlich etwas angehen und war nicht für andere Menschen bestimmt.
Eine Frau – aber welche?
Hatte sie einen Namen oder war sie einfach nur namenlos wie ein Phantom?
Er konnte es nicht sagen, aber die Zukunft sah längst nicht mehr so gut aus, wie er es sich gewünscht hätte.
Frauen hatten bei ihm und seinen Templer-Brüdern nie eine außergewöhnliche Rolle gespielt. In diesem Kloster lebten Männer und gingen ihren wichtigen Aufgaben nach. Schon aus der Historie hervor hatten Frauen mit dem Orden nie viel zu tun gehabt.
Und jetzt hatte ihm der Würfel des Heils ausgerechnet das Bild einer Frau geschickt.
Godwin schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, weiterhin darüber nachzudenken. Er würde alles auf sich zukommen lassen müssen, und er wusste auch, dass es dann eine Lösung gab.
Ob sie ihm gefiel, stand auf einem anderen Blatt…
***
Father Ingnatius, der Mann in Rom und Chef der Weißen Macht, einem geheimen Dienst des Vatikan, schüttelte den Kopf. Er nahm das Gespräch
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