1402 - Das Vampir-Puzzle
Vampir richtig zubiss, waren sie viel tiefer.
»Justine, verdammt!«, sagte Jane.
»Kann sein, muss aber nicht.«
»Wieso?«
»Es ist wohl nur bei einem Versuch geblieben. Die Zähne sind nicht besonders tief eingedrungen. Es kann sein, dass man sie bei ihrem Biss gestört hat.«
»Und wer?«
Ich warf Jane einen knappen Blick zu. »Das werden wir gleich erfahren. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Verdammt, ich hätte nicht zu dir fahren sollen. John.«
»Wer weiß. Vielleicht hast du dadurch dein Leben gerettet.«
Beides schauten wir wie auf ein geheimes Kommando hin zum Haus hinüber. Dort tat sich nichts. Nichts Verdächtiges war zu sehen.
»Nimm sie mit«, sagte ich und lief bereits auf das Haus zu. Ich musste den winterlicht kahlen Vorgarten durchqueren und lief mit schnellen Schritten auf die Haustür zu.
Von Lady Sarah hatte ich damals einen Schlüssel bekommen, den ich nur in Notfällen einsetzte. Normalerweise schellte ich, wenn ich Jane besuchen wollte. In diesem Fall war ich froh, dass ich den schmalen Schlüssel bei mir trug.
Ich steckte ihn ins Schloss, drehte ihn allerdings noch nicht ganz herum und lauschte zunächst.
War ein Geräusch zu hören?
Ich wusste es nicht, öffnete die Tür – und betrat eine wirbelnde Hölle…
***
Es gab nicht oft Gelegenheiten, bei denen sich Justine Cavallo überrascht zeigte. In diesem Fall was das so. Sie stand einfach nur da wie bestellt und nicht abgeholt, und sie schaute zu, wie sich Mallmann vor ihren Augen auflöste.
Sein Körper war nicht normal gewesen. Er hatte sich aus Einzelteilen zusammengesetzt, wie bei einem Puzzle, und war jetzt wieder in seine Einzelteile zerfallen.
Justine starre auf das wirbelnde Etwas aus zahlreichen Fledermäusen, die in ihrer Masse die gesamte Flurbreite einnahmen. Es gab praktisch kein Entkommen. Die Flattertiere befanden sich als dichter Pulk vor ihr, aber sie wirbelten auch hinter ihr und erzeugten dabei Geräusche, als würden Menschen in die Hände klatschen.
Innerhalb von Sekunden war alles vorbei. Da gab es die Gestalt des Will Mallmann nicht mehr. Dafür aber ein Unzahl von Fledermäusen, die Justine wie dicke Motten umschwirrten. Nur waren Motten scharf auf Stoff, die Fledermäuse jedoch wollten Blut.
Sie fielen über die Vampirin her!
Justine hatte sich immer von den normalen Menschen unterscheiden wollen, was ihren Kampf anging oder das Verhalten dabei. In diesen Momenten reagierte sie aber wie ein Mensch. Sie riss die Arme in die Höhe, um ihren Kopf und das Gesicht zu schützen. Dabei duckte sie sich und fühlte sich im nächsten Moment von den Flattertieren umhüllt wie von einem Vorhang.
Die Fledermäuse ließen keinen Fleck ihres Körpers aus. Sie klebten an ihr, sie suchten besonders das Gesicht und die hellen Haare, in die sie sich hineinwühlten. Überall versuchten sie, ihre Bisse anzusetzen. Dabei war es ihnen egal, ob sie es mit einer Vampirin zu tun hatten oder mit einem Menschen.
Justine wollte nicht länger in dem recht engen Flur bleiben. Natürlich kannte sie sich im Haus aus und fand sich auch mit geschlossenen Augen zurecht. Sie wusste, wie sie laufen musste, um die Treppe in den ersten Stock zu erreichen. Es war für sie im Moment der einzig mögliche Fluchtweg, um einem weiteren Angriff der flatternden Blutsauger zu entgehen.
Noch immer hielt sie den Kopf gesenkt. Aber sie wollte zudem auf Nummer sicher gehen, schaute weiterhin nach unten und öffnete für einen Moment die Augen.
Den Boden sah sie, aber nicht so, wie er hätte sein müssen. Denn zwischen ihr und dem Fußboden flatterten ebenfalls die kleinen Blutsauger hin und her.
Sie erreichte geduckt die Treppe, und wenig später hastete sie die Stufen hoch. Fledermäuse sind leicht, aber in der Masse hatten sie auch ihr Gewicht. Das merkte Justine sehr deutlich, als sie die Stufen hoch stolperte. Sie ging so gekrümmt, dass sie beinahe gefallen wäre, und sie stieß auch immer wieder gegen die harten Kanten der Stufen. Aber sie hielt sich am Geländer fest und schaffte es schließlich, die Treppe hinter sich zu bringen.
In Panik verfiel sie nicht: Sie fing sogar an, nachzudenken, und rechnete sich aus, dass ihr die kleinen Killer eigentlich nichts antun konnten. Sie würden zwar in ihre Haut beißen, aber sie würden kaum Blut trinken, denn es befand sich nicht mehr viel in ihrem Körper.
Justine erreichte die erste Etage. Erst hier dachte sie an eine Gegenwehr, und sie richtete sich mit einer schnellen Bewegung auf,
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