1402 - Das Vampir-Puzzle
Hexe stehen, sodass Justine sie gegen die Wand drücken musste, damit sie nicht zusammenbrach.
Wieder überkam sie die Gier nach dem Blut, als sie dieses engelhafte Wesen sah. Am linken Hals malte sich die Wunde aus zwei Bissstellen ab, die die Zähne der Vampirin gerissen hatten. Einige Tropfen waren hervorgequollen und als Fäden am Hals entlang nach unten gelaufen.
Justine leckte sich über die Lippen. Sie musste sich hart zurücknehmen, um nicht zum zweiten Mal zuzubeißen. Sie hätte das Blut liebend gern abgeleckt, aber sie wollte nicht noch mal diesen bitteren Geschmack erleben.
Justine schüttelte die willenlose Person durch. »Kannst du mich hören?«, fragte sie dabei.
Rita reagierte nicht.
Sie schüttelte die Person stärker, sodass sie mit dem Kopf zweimal gegen die Wand prallte. Trotzdem veränderte sich der Blick ihrer Augen nicht. Geistig schien sie in anderen Sphären zu schweben.
Rita war völlig abwesend.
»Wo ist Mallmann? Wo steckt der Vampir? Hält er sich tatsächlich hier im Haus auf?«
Schweigen. Nur der Kopf sackte nach vorn, doch es war kein normales Nicken.
Justine zischte einen Fluch. Rita war für sie zum Ballast geworden.
Man konnte mit ihr nichts beginnen.
Justine fasste sie wieder an. »Dann werden wir gemeinsam nach unten gehen und uns dort mal umsehen«, flüsterte sie. »Und glaube nur nicht, dass du mir entwischen kannst. Wir werden unseren Freund Mallmann begrüßen, der bestimmt schon auf mich wartet.«
Rita gab keine Antwort. Sie wehte sich auch nicht und ließ alles mit sich geschehen. Justine führte sie bis an die Treppe heran und wartete darauf, dass sie die erste Stufe betrat, was auch passierte, denn das brauchte ihr niemand zu sagen.
Alles ging glatt. Obwohl Rita unter dem Bann des Hypnotiseurs stand, leistete sie keinen Wiederstand. Sie ließ sich führen und stolperte auch nicht, obwohl sie ihre Schritte recht tapsig setzte. Eine Hand glitt dabei über das Treppengeländer hinweg.
Was erwartet mich unten? Diese Frage stellte sich Justine einige Male. Am Ende der Treppe sah alles aus wie immer. Niemand wartete auf sie. Kein Lauern, kein Angriff von unten, der Flur war leer.
Trotzdem glaubte Justine nicht, dass Saladin gelogen hatte. Er hatte es nicht nötig, sie zu bluffen, aber die Wiedergängerin fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. Wie genau würde das Spiel ablaufen, das Saladin hier durchzog?
Die Hälfte der Treppe hatten die beiden Personen bereits hinter sich, und es war noch immer nichts passiert. Sie sahen niemanden und hörten auch nichts. Sollte Mallmann sich im Haus befinden, dann hatte er sich verborgen und lauerte auf den entscheidenden Einsatz.
Auf der zweitletzten Stufe blieb die Cavallo noch mal stehen. Sie hielt auch ihre Begleiterin fest, damit diese keinen Unsinn machte.
Ein letztes Lauschen, dann stiegen sie die letzten Stufen hinab.
Als die Treppe hinter ihnen lag, ließ Justine ihre Begleiterin los. Sie wollte jetzt durch nichts abgelenkt werden. Sie schaute nach rechts, wo sie nichts sah, und drehte den Kopf dann lag links.
Es traf sie fast der Schlag, denn dort, zwischen Treppe und Haustür, stand Dracula II…
***
Plötzlich war alles anderes geworden. Justine vergaß auch Rita und ließ sie los. Sie hatte nur Augen für Mallmann, der vor ihr stand und sie anglotzte. Das bleiche Gesicht mit der leicht gekrümmten Nase, das harte Kinn, die dunkle Gestalt, sogar das D auf der Stirn, die schwarze Kleidung, das glatte, nach hinten gekämmte Haar, blutleere Lippen, das traf alles zu.
Und trotzdem gab es einen Fehler. Dieser Mallmann war von der Größe her anders. Seit ihrem letzten Zusammentreffen musste er gewachsen sein, und genau das ließ Justine stutzen. Mallmann war kein Kind. Er konnte nicht mehr wachsen.
War er es wirklich?
Zweifel stiegen in ihr hoch. Die Gier nach dem Blut eines Menschen hatte sie vergessen, es gab nur noch Dracula II und ein Misstrauen, dass sich in ihr weiter verstärkte.
Wen hatte sie da vor sich?
Rita bewegte sich plötzlich und ging los, als wäre ihr ein Befehl erteilt worden. Sie hielt nicht direkt auf den Vampir zu. Sie ging an ihm vorbei und steuerte die Haustür an.
Mallmann tat nichts. Normalerweise hätte er nach diesem Opfer gegriffen. Doch er schien zu wissen, dass Ritas Blut ihm nicht schmecken würde.
Wenig später hörte Justine, wie die Haustür zufiel.
Es war ihr egal. Sollte die Hexe ruhig verschwinden, für sie war nur Mallmann wichtig. Sie suchte in seinem
Weitere Kostenlose Bücher